Kleine Zeitung, 03. November 2004, Ursula Strohal
Schutt und Schock, Rosen und Herzblut
Sieben Kurzopern prominenter Autoren und Komponisten fügen sich zu einem schillernden Miniatur-Riesen. Monsieur Voltaire ist immer dabei.
Die kleine Form, das Reduzierte schwebte Kristine Tornquist vor, als sie für ihr Wiener sireneOperntheater Miniopern in Auftrag gab. Und für jeweils rund 15 Minuten dauernde "Operellen" spannende Paarungen fand. Fünf Personen waren vorgegeben: Johanna und Johann, Zwerg oder Zwergin, Dieb oder Diebin - und Voltaire.
Die riesige Spielzeugschachtel als Drehort des Geschehens (Bühne: Walter Vogelweider, Kostüme: Julia Libiseller) führt in die Wolken. Dort sehnt sich Johanna im Jenseits nach Johann, dem Dichter, der einer Zwergin diktiert. Wolfram Wagner lässt Friederike Mayröckers autobiografischem Libretto "Stretta" die Poesie des Verlustes und komponiert zart dem Wort entlang.
Wie denn überhaupt die Komponisten im alten Wort-Ton-Konflikt zurückhaltend bleiben und, statt Verstörendes zu erproben, sich auf das Geschichtenerzählen verlegen. So gesehen werden die Operellen im historischen Sinn Intermezzo-tauglich. Voltaire, im verstaubten Barockkostüm, muss sich Zitate seiner Zeit, aber ebenso Jazziges und Dada gefallen lassen. Allein Jury Everhartz überdeckt Wolfgang Bauers Text "Das gestohlene Herz", nicht dessen theatralische Virtuosität mit einer niederländisch polyphon getönten, konzertanten Partitur.
Rap & Rosen. Die Lockerungsübung fällt in der Kleinform leicht, die Pointe wird deutlich. Hosea Ratschiller und Lukas Tagwerker gehen im Verein mit dem Klangwitz Akos Banlakys in "Schock" ins absurd Kabarettistische. Radek Knapp und der brillante Christof Dienz liefern mit "Die vertauschten Köpfe" ein hintergründiges Werk zwischen Operette und Rap. Mit roten Herzen und roten Rosen versprühen Walter Titz (Text) und Peter Planyavsky (Musik) immensen Charme. Hermes Phettberg verbindet in "Schutt" Evangeliums-Zitate mit der Zustandsbeschreibung privater Tragik, minimalistisch perfekt gestützt von Gilbert Handler. Tornquist, die inszenatorisch lustvoll aufbereitet, hat Kurt Schwertsik als humorvollen Partner für eine Alltagsgeschichte über den "Schlaf der Gerechten".
Dorian Keilhack ist der richtige Mann am Dirigentenpult und hat mit dem Tiroler Ensemble für Neue Musik vorzügliche Instrumentalisten zur Hand. Renate Fankhauser (Sopan), Shauna Elkin (Mezzo), Dan Chamandy (Tenor) und Michael Wagner (Bariton) und Schauspieler Klaus Rohrmoser bewältigen den siebenäugigen Miniatur-Riesen bewundernswert flexibel.