Oper in Wien, 26. Oktober 2008, Dominik Troger
Müssen Prinzessinnen Prinzen heiraten?
Uraufführung im Jugendstiltheater auf der Baumgartner Höhe: ein psychologisch-politisches Märchen – als Opera buffa getarnt – schickte ihr Personal auf eine abendfüllende Selbsterfahrungsreise.
Müssen Prinzessinnen Prinzen heiraten? Eigentlich schon. Doch es ist spannend, die erprobte Märchenhandlung einmal umzudrehen. Statt dem Prinzen nach bestandenen Abenteuern schmachtende Blicke zuzuwerfen, schmeißt sich diese Prinzessin selbst ins Zeug. Abenteuerlustig lässt sie die Hochzeit platzen und tourt mit einem Motorrad durch die Vereinigten Staaten – und der liebeshungrige Prinz hechelt ihr hinterher.
Solcher Beginn weckt Lust auf mehr – und weil man beständig mit den Reaktionen des „Königshauses“ „online“ war, ergab sich in der ersten Stunde des Abends ein abwechslungsreiches Szenen-Springen zwischen den Kontinenten: die Füchsin heldenhaft in Colorado, vom Prinzen nachgereist – der Pantoffel-König in Europa, faul auf seinem Thron sitzend, flankiert von der gelangweilten Königin. Beide sorgen sich um das Schicksal ihres Prinzen-Sohnes, Lakai und Kammerfräulein geben zusätzliche Kommentare ab.
Die von spätromantischen Assoziationen und jazzigen Phrasen geprägte Musik folgte dem Wechsel der Standorte, bedachte das Buffopersonal mit Akkordeonklängen und Amerika mit Walking Bass, die Königin mit pizzicato-durchtropfter „Langeweile“ und einem kurzen Streichquartett, Füchsin und Prinzen mit Richard-Strauss’schen Gefühlsausbrüchen. Den König adressierte dann und wann (so schon zur Einleitung) eine an Selbstironie halberstickende Mahler’sche Trompetenfanfare wie Reste sentimentaler Erinnerungsfetzen an einstige Heldentaten. Reizvoll auch der Gebrauch des Cembalos, mit zarten klassizistischen Gebärden die Monarchie umarmend. Mit zunehmender Dauer des ersten Aktes erwies sich das Setting aber als ausgereizt und die Aufführung trieb mit verwässerter dramaturgischer Nachhaltigkeit dem ersten Finale zu. Dieses wurde nach etwas über eineinhalb Stunden erreicht.
Nach der Pause sollte Moritz frischen Schwung ins Geschehen bringen, von einem Miet-Helden im Amerika des ersten Aktes gezeugter Prinzessinnen-Spross – aber zunehmende Ensembleszenen mit schwieriger Textverständlichkeit und eine zu stark aufs Vorwärtstreiben hin komponierte Musik nahmen die deutlich subtilere Ausgestaltung vom ersten Akt nicht mehr auf: jetzt forderte die Opera buffa ihr Recht und überdeckte die psychologische Differenzierung.
König und Königin geraten sich in einem (zu?) langen „Rosenkrieg“ in die Haare, der Miet-Held usurpiert den Thron, die Füchsin kehrt aus ihrem selbstgewählten Exil zurück, ebenso wie der Prinz (schließlich sucht Moritz seinen richtigen Vater und hat sie alle herbeitelefoniert), der König dankt ab und beginnt zu weinen. Am Schluss sind Königin und König, Prinzessin und Prinz, Lakai und Fräulein in ideologiebefreiter Idylle selig miteinander vereint. Moritz träumt noch in juvenilem Überschwang von der Weltverbesserung – nur der Held ist mit seiner Situation unzufrieden. Ende gut, alles gut? Insgesamt war es wohl das Versäumnis der Regie, nicht weitere Striche vorgenommen zu haben. Auch wenn der zweite Akt straffer war als der erste: die Aufführung dauerte (inklusive Pause) über drei Stunden.
Als Bühne wurde der von der Bestuhlung freigeräumte Saal des Jugendstiltheaters genutzt (das Publikum saß nur eingangsseitig, fünf Sesselreihen längs gestellt). Auf dieser großen Spielfläche mit sehr offenem Charakter waren die einzelnen Spielorte samt Orchester verteilt: ein Thron für den König und daneben einer für die Königin, Amerika mit buntem Leuchtstoffröhren-Lagerfeuer, starker Blickfang war ein knallrotes Motorrad. Die Personenregie war flüssig und gut durchdacht, hätte die Charaktere aber noch pointierter zeichnen können.
Von den Mitwirkenden hinterließen Nina Plangg als Füchsin, Romana Beutel (Moritz) und Rupert Bergmann (König) sowie das Bedientenpaar Johann Leutgeb und Ulla Pilz den nachhaltigsten Eindruck. Die Akustik war durch die oben beschriebene Raumkonzeption nicht optimal, worunter auch der Vortrag des kleinen, mit Klavier und Cembalo angereicherten Kammerorchesters unter der Stabführung von Rossen Gergov litt.
Das Publikum spendete am Schluss eifrig Beifall.