Jonathan Allen sammelt „Magic Money“
Der britische Künstler, Kurator und Autor Jonathan Allen sammelt Geld. Doch die Banknoten seiner Sammlung gehören einer recht ungewöhnlichen Währung an. Der Kurs von „Magic Money“ wird nicht an den internationalen Finanzbörsen festgelegt. Magisches Geld kennt man seit der Mitte des 19. Jahrhunderts als die ersten Zauberkünstler begannen, Geldscheine zu gestalten, die meist ihr Konterfei und zumindet ihren Künstlernamen trugen. Schon recht bald wurden die Scheine nach dem Vorbild amerikanischer Dollarnoten gestaltet. Die Bühnenmagier und Zauberkünstler hatten sich gegen ihre Konkurrenten zu behaupten und die selbst gedruckten Geldscheine waren eine billige Investition im Geschäft um die Aufmerksamkeit des Publikums.
Die eleganten Gentlemenzauberer des frühen 20. Jahrhunderts verschenkten ihr eigenes Spielgeld meist und wußten sich mit solch symbolischen Gesten auch über die ewigen Vorurteile hinwegzusetzen, die man dem fahrenden Volk, den Schaustellern, Schauspielern und Gauklern, seit jeher entgegenbrachte. Die selbst gedruckten Geldscheine laden zugleich in die Halbwelt der Unterhaltung ein, die sich neben und unterhalb bürgerlicher Konventionen abspielt. Ein Zauberkünstler unterhält dann, wenn er Tabus berührt und Projektionen des Publikums zuläßt.
Das Publikum hat dafür bezahlt, getäuscht zu werden und ist bereit, für die Dauer einer Vorstellung jede Skepsis aufzugeben. „Don’t fool yourself, that’s my business“ weiß auch die professionelle Zauberkünstlerin Dell O’Dell und hält dieses Gebot moderner Zauberkunst auch auf ihrem Werbegeld fest. Wer „Magic Money“ nimmt schuldet dafür dem Zauberkünstler den Glauben an die vorgeführte Täuschung. Doch das Publikum glaubt selbstverständlich nicht an Magie und übernatürliche Effekte. Nur weil wir uns der Gesetze der Natur so sicher sind, weil wir so sehr in unsere Vernunft vertrauen, kann der Zauberkünstler auch unterhalten. Das Vergnügen besteht darin, uns auf die eigene Rationalität zu verlassen, wissen wir doch, daß es bei jedem Trick, jeder Illusion immer mit rechten Dingen zugeht und zugehen muß. Und hier hakt der Sammler als Künstler ein. Auch Jonathan Allen gibt seine eigene Währung aus. Als Tommy Angel tritt er uns entgegen und führt in seinen Performances vor, daß wir vielmehr an die Vernunft glauben als ihre Beweiskraft tatsächlich anzuwenden.
Die Evidenz dessen, was sich hinter den Kulissen abspielt, entzieht sich unserer Wahrnehmung und läßt sich auch nicht so ohne weiteres nachvollziehen. Wir wissen wohl um die Illusion, wissen um eine Wahrheit dahinter, doch unterziehen wir uns nur selten der Anstrengung, diese Wahrheit auch wirklich aufzuklären. Mediengeprüft und -gewohnt sind wir auf Oberfläche und Ablenkung eingestellt, und dabei doch gezwungen in der Wirklichkeit zu handeln. Jonathan Allen geht es darum zu demonstrieren, daß wir in einer Kultur virtueller Selbstdarstellungen nicht auf den Blick hinter die Kulissen der großen medialen Zaubervorstellung verzichten sollten.