Sammlung von Raja Schwahn-Reichmann
Die Sammlung von Raja Schwahn-Reichmann ist dicht, viel, konsequent und beschränkt sich dennoch nicht auf ein Thema. Ihre Sammlung umfaßt nur alles: Kleider, Bilder, Schuhe, Hüte, Schmuck, Porzellanenes, Bücher, Kommoden, Vorhänge, kurzum: das Lebensnotwendigste.
Die unüberschaubare, grenzenlose und unendliche Sammlung von Raja Schwahn-Reichmann ist Wohnung und Atelier zugleich und bildet vor allem einen Vorstellungsraum, in dem sich die Künstlerin ästhetisch orientiert. Ihre Sammlung ist nicht Depot und nicht Fundus, ist nicht Garderobe oder Kulisse – und dabei auch all das.
Nun geht es der Künstlerin niemals darum, all die Gegenstände, Stoffe und Zimelien zu horten. Sie verlebendigt die abgelegten und wiedergefundenen Materialien, entwickelt Szenarien, welche die ehemaligen Gebrauchsformen vergegenwärtigen. Sie ist keine sentimentale Nostalgikerin, deren Sammlung eine dekadente Wirklichkeitsflucht eröffnet. Ganz im Gegenteil: die Gegenwärtigkeit einer Konsumkultur muß sich an der ästhetischen Beständigkeit dieser Sammlung messen. Und die Künstlerin ist dabei niemals arrogant, sondern möchte nichts lieber als „den Laien erfreuen“ und „dem Kenner Satisfaktion geben...“ Mozart himself hat diesen künstlerischen Anspruch formuliert und kein Zufall, daß die Sammlerin sich hier angesprochen fühlt. Die Kunst, die hier gemeint ist, hat keine gesellschaftliche Außenseiterrolle übernommen. Vielmehr ist sie Alltag und Selbstverständlichkeit, gleichermaßen verständlich wie amüsant, sophisticated und dabei bodenständig.
Wenn die Künstlerin ihre sammlerische Aktivität entfaltet, dann geht es ihr zugleich um die Gelegenheiten, die sich mit den gesammelten Objekten verbinden lassen. So ist die Sammlung selbst auch Anlaß für legendäre Festivitäten, um den Vergnügungen auch ästhetischen Sinn zu verleihen. Raja Schwahn-Reichmann stattet so manches Fest künstlerisch aus, doch geht es ihr nie um Dekor, sondern ihre Festlandschaften sollen amüsieren und bewegen, Anlaß bieten für Galanterien, für Nähe und Distanz, für Geheimnis und Lockerung.
Die Künstlerin nimmt sich selbst in ihrem ästhetischen Programm nicht aus. Sie trägt Fantasie-Dirndl, manchmal Trachten, schnürt sich bisweilen in ein Rokoko-Korsett. Doch sind es keine Verkleidungen, denn sie trägt auch nichts anderes. Auch wird hier nicht ländliche Urtümlichkeit im Urbanen zelebriert. Der Künstlerin ist es vielmehr ein großes Anliegen, die alltäglichen Gegenstände einer Epoche, einer Lebenswelt nicht in falschen Traditionen zu konservieren. Als Künstlerin geht es ihr darum, ihr historisches Wissen als angewandte Kunst zu vermitteln. Wer mag soll sich amüsieren und wer sich auf den Inhalt einläßt wird feststellen, daß die Sammlerin Raja Schwahn-Reichmann letztendlich in ihren Sammlungen nie Gegenstände angehäuft hat, sondern Lebenswelten meint. Mit der ihr eigenen Konsequenz verführt uns die Künstlerin letzendlich zum gegenwärtigen Verständnis einer lebendiger Geschichte.