Die Presse, 10.5.2010, Walter Weidringer
Pech für Tomaso Albinoni: Das umfangreiche Schaffen des venezianischen Starkomponisten ist heute nahezu vergessen, sein einziges populäres Werk stammt in Wahrheit gar nicht von ihm: das berühmte g-Moll-Adagio, das sich auch in CD-Sammlungen sonst „Klassik“-resistenter Musikfreunde findet, von „The Doors“ zitiert und in Film und TV („Flashdance“, „Malcolm in the Middle“) verwendet wurde, ist eine Fälschung des Albinoni-Biografen Remo Giazotto aus 1958.
Glück für Tomaso Albinoni: Der mit 82Jahren unermüdliche René Clemencic hat längst eine Schwäche für den Barockmeister und seinen blühenden, von gediegener Kontrapunktik unterfütterten Melodienreichtum entwickelt. Natürlich vom Cembalo aus leitete er in der Kammeroper sein farbreich musizierendes Clemencic Consort und ein Ensemble aus jungen Solisten bei der Premiere von „Il Nascimento dell'Aurora“, 300 Jahre nach der Uraufführung.
Diese „Festa pastorale“ war vom kaiserlichen Gesandten in Venedig als Huldigungsserenata zu Ehren der „weißen Liesl“ in Auftrag gegeben worden: Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel, die hellhäutige Gemahlin von Kaiser Karl VI., sollte an ihre Rolle als Thronfolger-Gebärerin erinnert werden– durch allerlei mythisch-allegorische Anspielungen, durch die Blume also, will man angesichts von Kristine Tornquists floral-farbenfroher Inszenierung sagen.
Mit zeitlos poetischen, dort und da mit Augenzwinkern servierten Pointen wird das entzückende Nichts an Handlung ohne Langeweile auf die Bühne gebracht; die junge Kaiserin darf auch leibhaftig als stumme Rolle (Evelin Illés) dem Geschehen von einer Loge aus folgen. In Duncan Haylers wandlungsfähigem Bühnenbild und Markus Kuschers charakteristischen Kostümen tummelt sich Krisztina Jónás mit fast makellos rundem, agilem Sopran als mit Bedacht etwas prüde Dafne, die vom Apollo Armin Gramers nicht allzu stürmisch, dafür aber mit noblen Altus-Koloraturen umworben wird, während Solmaaz Adeli (Flora) satte Mezzosoprankantilenen spinnt und Gerhard Hafner, als quecksilbriger Zeffiro die profilierteste Figur des Abends, einen passenden Schuss Hysterie in seiner Sopranstimme hören lässt. Einzig Tenor Wilhelm Spuller als Peneo fällt durch ungelenke Verzierungen und harten Klang ab.