Die wichtigsten Protagonisten
Michail Borissowitsch Chodorkowski (*1963)
lernt und entwickelt sich aus dem Vakuum der Wende über den Umweg des Raubtierkapitalismus zum Manager nach westlichem Modell bis zum Visionär russischer Sozialdemokratie, vom Abenteurer zum Idealisten.
Im rechtsfreien Raum nach der Wende 1989 gründete er erst die Bank Menatep und erwarb unter Beihilfe der Jelzinregierung den maroden Mineralölkonzern JUKOS, den er schnell konsolidierte. Nachdem er damit die Rubelkrise 1998 durchtaucht hat und mit seinem Konzern an die Grenzen des in Russland Möglichen stösst, beginnt er, JUKOS reif für den internationalen Markt zu machen und fädelt internationale strategische Partnerschaften zB mit Exxon ein. Vor seiner Verhaftung 2003 ist er der reichste Russe und der reichste Mann der Welt unter 40, sein Vermögen wird auf 15 Milliarden Dollar geschätzt. Doch Geld interessiert ihn nicht mehr. Er versucht, JUKOS mit Roman Abramowitschs Sibneft zu fusionieren und sich aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen, er träumt vom starken, aber transparenten Staat mit klarer Rechtgebung, Gerichtbarkeit und Sozialleistungen, und gründet die Wohltätigkeitsorganisation Offenes Russland. Doch dabei kollidiert er mit der korrupten und bewusst rechtsunsicheren Staatsmacht und den restaurativen autoritären Ambitionen Putins. Die Fusion wird vom Staat verhindert, er wird verhaftet und in politischen Schauprozessen zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt. Aus dem Gefängnis heraus entwickelt er weiter seine politischen Ideen für Russland. Er sammelt Tage- und Notizbücher.
Wladimir Wladimirowitsch Putin (*1952),
ein St. Petersburger, bleibt auch nach der Wende der KGB-Welt verhaftet. Er wird vom todkranken Jelzin als russischer Präsident installiert und hält diese Funktion seither fest, wenn er auch aus Verfassungsgründen eine Legislaturperiode mit seinem Vertrauten Medwedew den Ministerpräsidentenposten tauscht.
Obwohl er sich nach der Wende antikommunistisch gibt, steht er doch für Bewahrung sowjetischer Strukturen und für hermetische Macht. Er fürchtet den zunehmenden Einfluss und die politische Ambitionen der Oligarchen und Privatunternehmer. Er fürchtet auch den transparenten Staat, der die staatliche Schattenwirtschaft stören würde und seine absolutistische Macht mindern. Sein politisches Überleben hängt davon ab, wie er die beiden Machtblöcke – den liberalen und den konservativen - in der Duma in Balance halten kann. Putin zeigt sich gern als harter, autoritärer Macho. In seiner Freizeit betreibt er Kampfsportarten und geht auf die Jagd. Putins Vermögen – vorwiegend in Aktien russischer „Staatsbetriebe“ - wird zwischen 12 und 40 Milliarden Dollar geschätzt (die grössere Zahl hat Medwedew der Presse gesteckt).
Igor Iwanowitsch Setschin (*1960)
aus St. Petersburg und ein Vertrauter Putins, Vizepremier für Energiefragen, Vorstand des „Öl-Clubs“ und Präsident des Ölkonzerns Rosneft hatte wie Putins Verbindungen zum KGB. Er führt den erstarkenden autoritären, polizeinahen Machtblock - die Falken - im Kreml an.
Als Vorstandsvorsitzender des rückverstaatlichen Ölkonzerns Rosneft ist auch er an der Zerschlagung von JUKOS interessiert, zumal Chodorkowskis Attacke vor allem auch auf Setschin zielt. Denn der korrupte Setschin hat über seine politischen Funktionen und die staatliche Pipelinefirma Transneft, die den gesamten Export des russischen Erdöls abwickelt, die Oligarchen in der Hand. Setschins Rosneft erhält JUKOS und wird damit einer der mächtigsten Männer Russlands. Gegenspieler Medwedew verhindert zwar mit juristischen Argumenten, dass Setschin als Seketär der Energiekommision Weisungsrecht gegenüber der Regierung hat und damit den gesamten Energiesektor kontrolliert, darauf erklärte Putin aber den Grosskonzern Rosneft zum „Aktiv“, was bedeutet, dass Rosneft den Weisungen der Regierung entzogen ist. Setschin tauschte sämtliche Manager des Konzerns durch eigene Leute aus. Er, der sich in der Vergangenheit gegen eine Privatisierung von Rosneft gestemmt hat, hat sie nun selbst zu seinen Gunsten durchgeführt. Die von Chodorkowski angedachte strategische Partnerschaft mit Exxon zog er durch und kauft ausserdem Itera, einen Gaskonzern, um auf diesem Weg Gasprom Konkurrenz zu machen. Sein Privatvermögen ist unbekannt, so wie er stets versucht, im Hintergrund zu bleiben - er wird die Graue Eminenz genannt.
Roman Arkadjewitsch Abramowitsch (*1966)
Heute der reichste der Oligarchen, der zugleich ein Leben im Ausland und beste Beziehungen zur russischen Führung geniesst. Im Gegensatz zu Chodorkowski wurde er immer dem Ruf eines hedonistischen Oligarchen gerecht, nicht zuletzt als er die grösste Jacht der Welt und einen englischen Fussballclub kaufte. Er nahm auf Jelzins Entscheidung, Putin zu seinem Nachfolger zu küren, Einfluss, seine Beziehungen zu Putin und seinem Umfeld sind nicht zuletzt deshalb eng und vertraulich.
Bezüglich seiner Rolle im Fall Chodorkowskis gibt es unterschiedliche Interpretationen. Sein unerwarteter Vorschlag einer Fusion seines Ölkonzerns Sibneft und von JUKOS eine Woche, nachdem Chodorkowski bei Putin in Ungnade gefallen war, brachte schliesslich den Stein ins Rollen. Jene 300 Millionen, die Chodorkowski Abramowitsch im Zuge der Fusionsvorbereitungen auszahlte, verschwanden nach der Zerschlagung von JUKOS, bald darauf verkaufte Abramowitsch seine Anteile an Sibneft. Es scheint aber, als habe Abramowitsch auch Hoffnungen gehabt, zumindestens einen Teil von JUKOS zu erben. 2000-2008 war Abramowitsch Gouverneur und genoss in der Zeit politische Immunität, die ihm auch half, als der Oligarch Beresowski gegen ihn klagte, er habe ihn beim Verkauf von Sibneft betrogen. Im Zuge der Finanzkrise hat sich allerdings sein Vermögen von 23 auf 3,3 Milliarden reduziert. Bis heute macht Abramowitsch im Umfeld von staatlichen Aufträgen Geschäfte, zuletzt bei den Bauvorhaben rund um den Winderspielort Sotschi.
Leonid Borissowitsch Newslin (*1959)
Einer der ersten und engsten Partner von Chodorkowski und Teilhaber an allen seinen Firmen, war bis zu seinem Fortgang aus dem operativen Geschäft bei JUKOS vor allem für Regierungskontakte und PR zuständig.
Er flüchtete nach der Inhaftierung des JUKOS-Sicherheitsmitarbeiters Pitschugin und des JUKOS-Teilhabers Lebedew und der Durchsuchung der JUKOS-Büros nach Israel. Von dort aus verwaltet er den Grossteil des ehemaligen Vermögens von Chodorkowski und dessen juristische Betreuung. Er selbst wurde in Abwesenheit wegen Mordes an Petuchow und einiger Attentate im Umfeld von JUKOS verurteilt. Israel, das ihn als Opfer eines Schauprozesses einstuft, liefert ihn nicht aus. In Israel engagiert er sich – wie zuvor schjon in Russland – für jüdische Belange und kaufte eine grosse Tageszeitung.
Marina Chodorkowskaja (*1934)
Die streitbare Mutter von Michail Chodorkowski. Sie war - wie auch ihr Mann - Chemikerin. Die prinzipienstarke Erziehung und der Rat der streitbaren Mutter bildeten das Rückgrat Chodorkowskis, der sie sehr achtete und an ihr hing. Chodorkowskaja war eine starke Frau. Während er im Gefängnis sass versorgte sie ihn liebevoll. Die Mutter erkrankt mehrmals an Krebs. Nach seiner Entlassung besuchte Chodorkowski seine Mutter in Deutschland, wo sie behandelt wurde. 2014 starb Chodorkowskaja im Alter von 79 Jahren in Berlin.
sind die armen und unbedeutenden Russen, die weder im Sowjetsystem, weder im Aufbruch nach der Wende noch im russischen Kapitalismus je auf einen grünen Zweig kommen.
Matea Martinović, Philipp Dukovski (Klasse Franz Kumpl)