Österreichische Musikzeitschrift, ÖMZ 1/2017, Christian Heindl
Organhandel und Ambulanzstress auf der Opernbühne
Hospital – drei Geschichten aus dem Krankenhaus. Eine Produktion des sirene Operntheaters
Drei Uraufführungen innerhalb von nur drei Wochen an- und hervorragend umzusetzen – dem sirene Operntheater gelang mit der Trilogie Hospital, wovor so mancher professionelle Theaterbetrieb schaudernd zurückschrecken würde. Von Betretenheit bis Heiterkeit reicht die Emotionspalette, der das Publikum bei den Operneinaktern auf Libretti von Kristine Tornquist ausgesetzt war. Ihre größte Stärke ist zugleich ihre einzige gravierende Schwäche, denn beinahe jeder Zuseher wird sich in einzelnen Szenen an selbst Erlebtes erinnern, vermutlich primär unangenehmer, oft trauriger und traumatischer Momente aus Aufenthalten im Krankenhaus – sei es als Patient oder als Besucher. Und viele dieser Assoziationen mögen hart an die Grenzen des Erträglichen gehen.
Ob es sich nun um kriminellen Organhandel, die Profilierungssucht hochdotierter Primare, vertauschte Befunde oder übermenschlichen Dauerstress in den Ambulanzen handelt: kaum je dürfte der Spitalsalltag so zynisch und gleichzeitig so realistisch auf die Bühne gebracht worden sein. Es würde daher so manchen sicher große Überwindung kosten, diese Stücke wiederholt anzusehen, obwohl dies in Hinblick auf die Musik sehr lohnenswert wäre. Man mag leicht der Versuchung erliegen, die drei Stücke miteinander im Wettbewerb zu sehen, was freilich nicht die Intention des Projektes gewesen sein mag. Zu verschieden ist die Herangehensweise der Komponisten, obgleich sich auch Gemeinsamkeiten ergeben, die man als einen Trend heutigen Opernschaffens definieren könnte. Vor allem ist da der Mut, nein, vielmehr das Bekenntnis zur Kantabilität.
Sowohl Šimon Voseček (Hybris) als auch Hannes Löschel (Nemesis) und Christof Dienz (Soma) halten nichts von geräuschhaften Experimenten, wenn es um die Behandlung der Singstimmen geht. Ganz im Gegenteil: Immer wieder verblüfft auf sehr angenehme Weise, wie sich ariose Linien entwickeln, wie Song- und Liedhaftes Gelegenheit zur Entfaltung vokaler Brillanz geben und Momente des Innehaltens schaffen. Und: Allen ist eine hervorragende Balance zwischen Stimmen und Instrumenten gelungen, mit dem Ergebnis, dass die Wortverständlichkeit dem Betrachter erlaubt, sich noch tiefer in das Geschehen fallen zu lassen. Da es an dieser Stelle zu viele Namen wären, kann man dem Solistenteam nur insgesamt ausnahmslos erstklassige gesangliche Qualität attestieren. Dem Instrumentalensemble unter der subtilen Leitung von François-Pierre Descamps bzw. Jury Everhartz merkte man in jedem Moment die Freude an der Mitgestaltung dieser außergewöhnlichen Werke an.