Österreichische Musikzeitschrift 5/2017, Willi Rainer
Zum 48. Mal Carinthischer Sommer; die zweite Saison von Holger Bleck als Intendant. Diesmal ohne große Paukenschläge, dafür wiederum konturlos. Der Anspruch, ein »Festival« zu sein, blieb auf der Strecke. Die Aneinanderreihung von netten Veranstaltungen mit wenigen Highlights macht noch kein schlüssiges Programm. Vom Format einer Festspielzeit, die sich vom übrigen Angebot der regionalen Kulturveranstaltungslandschaft abhebt, ganz zu schweigen. So herrschte Beliebigkeit.
Allein das Herzstück des Festivals, die Kirchenoper Hemma. Eine Weibspassion, ein Auftragswerk des Carinthischen Sommers von Bruno Strobl nach einem Libretto des oberösterreichischen Schriftstellers Franzobels, hob sich davon ab.
Die Geschichte stützt sich auf Erzählungen über Hemma von Friesach, der Stifterin des Domes und Klosters von Gurk, einer legendenumwobenen Frau des Hochmittelalters. Franzobel hatte darüber ein Theaterstück verfasst, das 2013 im Dom zu Klagenfurt uraufgeführt wurde. Für das Libretto wurde der ursprüngliche Text stark gekürzt und musiktauglich umgeschrieben. Bruno Strobl lieferte dazu eine in Teiltonreihen organisierte Musik, die er bewusst reduziert hielt. Das forderte vom knapp besetzten Kärntner Symphonieorchester eine überschaubare Palette an Klangkonstellationen, welche das Drama eher kommentieren denn musikalisch in die Pflicht nehmen und vorwärts treiben. Simeon Pironkoff am Pult setzte kühl temperierte Wellen in den Raum. Die vokalen Abschnitte, teil als Sprechgesang, recht einfach und in klaren Verlaufslinien angelegt, wurde allesamt gesanglich gut bewältigt.
Spannung erzeugten das Libretto und die schauspielerische Leistung, wenn Hemma (Juliette Mars) in ihrem Ringen um irdischen Gerechtigkeit mit Gottvertrauen und dem Mut der Vernunft und Würde ihrem gewalttätigen Ehemann Wilhelm (Andreas Jankowitsch), dem zynischen Erzbischof sowie ihrem irregeleiteten Sohn (Doppelrolle Sven Hjörleifsson) begegnet. Berührend auch die Magd Kathi (Julia Koci) und deren Vater (Jens Waldig). Ein gut disponierter, achtköpfiger Männerchor brachte Bewegung ins Geschehen. Regisseurin Kristine Tornquist setzte mit geringen Mitteln um, was umzusetzen war, und liess die Akteure im gesamten Kirchenraum auftreten.
In Summe aber war das Ergebnis zwiespältig, denn prima la musica e poi le parole wurde bei diesem Spiel, das sich Oper nennt, nicht zwingend eingelöst. Bilanz des Intendanten: Der Sprung aus dem Elfenbeinturm ist gelungen. Nachfrage: Welcher Elfenbeinturm?