Tiroler Tageszeitung / APA, 28.07.2017
Carinthischer Sommer: „Hemma“ zwischen Heiliger und Hexe
Ossiach (APA) - Das Leben der Landesheiligen als musikalische Reise: Beim Carinthischen Sommer hat am Donnerstagabend bei „Hemma. Eine Weibspassion“ vor allem das musikalische Konzept von Bruno Strobl und ein starkes Sängerensemble beeindruckt. Der Kärntner Komponist schuf mit seiner zeitgenössischen Tonsprache das bewegende Bild einer starken Frau des Mittelalters.
Das Libretto über die Kärntner Landesheilige Hemma von Gurk wurde von Franzobel, basierend auf seinem Theaterstück, verfasst. Es gibt den Inhalt vor, bleibt mit einigen Plattheiten qualitativ aber hinter der Musik zurück. Die Geschichte der Hemma ist die einer Frau zwischen gesellschaftlichen Konventionen und christlichem Glauben. Regisseurin Kristine Tornquist nützt für ihre Inszenierung einfallsreich den gesamten Kirchenraum der Stiftskirche Ossiach und setzt den Männerchor einmal als Aufständische, dann wieder als Pfarrer oder Folterknechte ein. Dramaturgisch geschickt übernimmt ein Teil des Chores vierstimmig die Rolle des Landesfürsten.
Weniger geglückt ist der Zeitsprung zwischen der jungen, mit ihrer Kinderlosigkeit hadernden Hemma und dem aus einer Klappe im Bühnenboden vor ihr auftauchenden, erwachsenen Sohn. Der untreue Ehemann, der etwas dümmlich wirkende Sohn, der zur Karikatur verzerrte Bischof, der mächtige Landesherr - Hemma muss sich in einer Männerwelt behaupten, erhebt sich aber auch bildlich immer wieder über diese erstarrte Gesellschaft, indem sie eine Leiter im Altarraum hochsteigt, die zu einem überdimensionalem Mond hinauf führt.
Musikalisch verdeutlichen repetitive Elemente, wie sehr die Männer in ihren Rollen gefangen sind, dunkle Klangfarben dominieren im Orchester, das das Erzählte emotional illustriert. Präzise leitet Dirigent Simeon Pironkoff die kleine Besetzung des Kärntner Sinfonieorchesters. Dabei steht er im Bühnenhintergrund mit dem Rücken zum Geschehen, während die Sänger sein Dirigat via Großbildschirm verfolgen können.
Das Sängerensemble agiert souverän und dank rezitativer Passagen auch sehr textverständlich: Mezzosopranistin Juliette Mars gibt die Hemma zwischen „Heiliger und Hexe“ selbstbewusst und verletzlich zugleich, Julia Koci kehrt als Magd mit ihrem Besen die Kirchengänge und fleht mit klarem Sopran um Gnade für die aufständischen Bergarbeiter. Hemmas Ehemann, Graf Wilhelm von Friesach, wird von Andreas Jankowitsch zwischen brutaler Männlichkeit und Verzweiflung wegen der Unerreichbarkeit seiner Frau angelegt. Sven Hjörleifsson (als Sohn und Erzbischof) und Jens Waldig (als Minenarbeiter Matschacher) vervollständigen die Solisten-Riege, der ein starker, achtköpfiger Männerchor zur Seite gestellt ist.
Die rund 80-minütige Aufführung ist nach „Sara und ihre Männer“ (2012) die bereits zweite Kirchenoper Bruno Strobls für den Carinthischen Sommer, der durch diese Koproduktion mit dem Stadttheater Klagenfurt gleich mehrfach neue Wege beschreitet: Nach drei Aufführungen in der Stiftskirche Ossiach wird das Musiktheaterstück auch zweimal in der Basilika Maria Loreto in St. Andrä zu sehen sein, womit Intendant Holger Bleck seinem Vorhaben entspricht, den Carinthischen Sommer auf das ganze Land auszuweiten.