26.11.2018 , Kronenzeitung, AN
Heimatlos, ausgestossen, elend
Das tragische Schicksal von Menschen ohne Papiere, ohne Geld, ohne Fürsprecher, herumgeschoben und gejagt: Das ist das Thema von B. Travens Roman "Das Totenschiff" (1926). Im Rahmen von Wien Modern wurde nun Oskar Aichingers Opernbearbeitung uraufgeführt.
100 Minuten dauert die musikalische Erzählung, die Kristine Tornquist (Libretto, Regie) und Oskar Aichinger (Musik) geschaffen haben. Im Untertitel nennt Aichinger das Werk eine "Songoper" - und tatsächlich gemahnt es in vielem an Kurt Weill.
Da sind die Tanzrhythmen, da sind eben die "Songs", das Jazzige und muskalisch Knallige, die Unterhaltungsmusik-Farbe. Aber auch das Politische - denn welches Thema könnte aktueller, brennender sein?
Profitstreben, das Ausnützen von Menschen in ihren Zwängen, Unmenschlichkeit - darüber könnte sehr Warnendes geschrieben werden! So weit, so vielversprechend. Nur: Was Weill und Bert Brecht schufen, hat Einmaligkeitswert; sich aber heute daran anzulehnen, wirkt jedenfalls antiquiert.
In langen Szenen wird das Elend des Protagonisten, eines abgehalfterten Seemanns, nicht ohne Ironie und Sarkasmus gezeigt: ein bisserl realistisch inszeniert, ein bisserl überzeichnet, aber dann doch kreuzbieder. Und was den gesamten Opernaufbau betrifft - da spürt man erstaunlich wenig Sinn für Spannungsbögen.
So schafft Aichinger zwar eine flotte, mitunter knallige Musik, die vieles einfangen will, aber dann doch in einer Revue von Einzelnummern verharrt, die sich nicht zu einem stringenten Gesamtbild fügen.
So hört man dem hingebungsvollen Dirigenten Jury Everhartz und dem Orchester zu, ist beeindruckt von der stimmlichen Durchhaltekraft des Tenors Gernot Heinrich als Gale, der Bühnenpräsenz von Romana Amerling als Schicksal und von Johann Leutgeb als Stanislaw.
Doch treibt das Unternehmen - um im Seemannsjargon zu bleiben - dann doch sehr an der Oberfläche.