Cube-Magazin Wien 03/2020, Katharina Beitl
Ein Kammeropernfestival mit Kunst und Gesprächen
Politische Unruhen, wirtschaftliche Herausforderungen, soziale Düsternis, verbale und ethische Verwahrlosung des Diskurses – ist das die Welt, in der wir leben wollen? Das fragten sich die beiden Opernmacher Kristine Tornquist und Jury Everhartz bei einem morgendlichen Blick in die Zeitung. Nein, dem galt es Positives entgegenzusetzen. Die sieben Werke der Barmherzigkeit, Spiegelbilder der sieben Todsünden, kamen ihnen in den Sinn. Somit war der Fokus des diesjährigen Kammeropernfestivals des sirene Operntheaters gefunden.
Sieben AutorInnen und KomponistInnen wurden beauftragt, je eine Geschichte zu einem der Werke der Barmherzigkeit im Hier und Jetzt spielen zu lassen. Was daraus entstand? ‚Amerika oder die Infektion‘, ‚Ewiger Frieden‘ oder ‚Der Fremde‘ um nur einige der sieben Geschichten zu nennen.
„Nicht alle Autoren waren optimistisch, aber insgesamt entsteht ein Bild des Menschen, der nicht immer tut, was er tun sollte, der aber weiss, was er zu tun hätte, um die Welt zu verbessern.“ Allen gemein ist jedenfalls das gute Ende, der ‚Wiener Schluss'. Klar, es war ja der Auftrag, positive Energie in die Welt zu schicken. Begleitet werden die einzelnen Produktionen von wechselnden Ausstellungsreihen. Die Bilder wurden von Mitgliedern des Kunstvereins art23 gemalt und zeigen ihre Visionen einer besseren Welt. In der den Opern jeweils vorangehenden Gesprächsreihe ‚Kein Erbarmen!‘ soll den Ursachen von Armut und Ungerechtigkeit auf den Grund gegangen werden.
Spielt das turbokapitalistische Finanzsystem bei der Entstehung von Nöten wie Hunger oder Obdachlosigkeit nicht eine systemische Rolle? Sind wir eigentlich in der Lage, Formen des Verteilens zu finden, die die Werke der Barmherzigkeit obsolet machen würden? Diese und andere Fragen werden im Herbst im F23 auf dem Podium, auf der Leinwand und auf der Opernbühne erörtert.