Oper in Wien, 30.09.2020, Dominik Troger
Eine durstige Hyäne in Atzgersdorf (pdf)
Das sirene Operntheater hat in seinem Kammeropernzyklus „Die Verbesserung der Welt“ die dritte von sieben Produktionen erfolgreich absolviert. „Der Durst der Hyäne“ brachte den Kongo ins F23 nach Atzgersdorf – eine unerwartete Kombination.
Man hat es sich seitens des Veranstalters nicht leicht gemacht: Sieben Kammeropern werden bis Mitte November in einer Fabrikshalle in der Wiener Breitenfurter Straße 176 zur Uraufführung gebracht – noch dazu auf die sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit gedichtet und komponiert. Das Ganze firmiert unter dem Übertitel: „Die Verbesserung der Welt“ – und wer dieser „vollmundigen“ Ansage eine Portion Selbstironie unterstellt, wird nicht ganz falsch liegen. Das lehrte einen schon die erste dieser Kammeropern („Ewiger Frieden“), die der würdigen Bestattung der Toten gewidmet war. Mit „Elsa“ wurden danach die Nackten bekleidet und mit der jüngsten Produktion („Der Durst der Hyäne“) die Durstigen getränkt.
In diesem Sinne folgten die genannten Stücke nicht den Fußstapfen des Vorprogramms, das in einer begleitenden Veranstaltung (jeweils ab 19 Uhr an den Aufführungsabenden) weitaus schärfer greifbar, die gesellschaftspolitischen und ökonomischen Störzonen unserer globalisierten Welt diskutiert.
Die genannten Kammeropern köderten das Publikum, in dem sie humorvoll ins Einfache transformierten, was in seiner realweltlichen Komplexität unentwirrbar scheint. Die starke persönliche Betroffenheit ging darüber allerdings verloren – jener Auslöser, der von einer „existentiellen“ Erfahrung ausgehend „mildtätige“ Barmherzigkeit zu einer nachhaltigen „Verbesserung der Welt“ anspornt.
Kristine Tornquist hat unter dem Titel „Der Durst der Hyäne“ ein Libretto verfasst, das durch eine Bergbaumine verursachte Umweltschäden mit den Nöten einer kongolesischen Bauernfamilie in Verbindung bringt. Die Kuh der Bäurin Rosine stirbt an mit Gift kontaminiertem Flusswasser. Rosine beschwert sich erfolglos beim Manager der Minengesellschaft, die mit ihren Abwässern den Fluss vergiftet. Deshalb wendet sie sich mit ihrem Anliegen an den Zauberer Mbumba, der nun die Sache in die Hand nimmt. Der Manager der Mine erkrankt am „Durst der Hyäne“ und der Zauberer verrät der Frau des Managers gegen ein hohes Honorar das „Medikament“: Der Mann muss vom Flusswasser trinken. Der Manager lässt daraufhin die vorhandene, aber aus Profitgründen still gelegte Kläranlage einschalten. Er weiß schließlich, wie giftig das Wasser ist. Und für Rosine hat der Zauberer sogar eine neue Kuh besorgt. „Der Durst der Hyäne“ basiert auf einer afrikanischen Fabel, die in einem Gesangsquintett am Schluss erzählt wird – ein auch musikalisch die etwa 70 Minuten lange Aufführung rundender Abschluss.
Die Hyäne aus dieser Fabel, die den sich im Wasser spiegelnden Mond für Fleisch hält, dient als Symbol für die Gier der Menschen nach maximalem Gewinn unter hemmungsloser Ausbeutung aller Ressourcen. Der Kongo ist bedauerlicher Weise ein von der Faktenlage her sehr gut gewählter „Platzhalter“ für viele passende Beispiele. Die Zugrundelegung einer Fabel ermöglichte es der Librettistin, auf märchenhaft-naive Weise an das „Gute“ in den Menschen zu glauben und die weiter oben erwähnte künstlerische Vereinfachung zu erzielen.
Die Musik von Julia Purgina kommentiert, ironisiert, kleidet sich in manchmal fast comicartige Sprechblasen. Die Mischung aus Bläserbesetzung, Streichern, Schlagwerk und einem Cembalo (!) ermöglicht durchaus „exotische“ Klangeffekte, ganz ohne Zuhilfenahme von afrikanischer Folklore. Am Beginn meint man die Hyäne klagen zu hören in sanddurchzogener Steppe, später sprudelt das Wasser und der Zauber wirkt mittels „Glissandischaukel“ (auch kein neuer, aber nach wie vor sehr ansprechender Effekt). So dient diese kleinteilige Musik dem Stück und wächst erst in der finalen Erzählung der Hyänenfabel über sich hinaus, wo sie als tragendes Element (spät aber doch) das „Musiktheater“ zur „Oper“ wandelt.
Den Protagonisten wurden gesanglich keine virtuosen „Kunststücke“ abverlangt, der Text stand im Mittelpunkt, die Figuren waren musikalisch gut skizziert – so wie es die Inszenierung von Kristine Tornquist verstanden hat, Figuren mit einfachen Mitteln humorvoll in liebenswerte Bühnenpersönlichkeiten zu verwandeln. Es wurde vor einem mittig angebrachten Bühnenvorhang gespielt (eine „Brechtgardine“, wenn auch höher als in der „klassischen“ Ausprägung), das Orchester befand sich dahinter am anderen Ende der Fabrikshalle platziert. Es gab wenig Requisiten (wie zwei Gartenstühle, einen großen, bauchigen Korb, eine Badewanne für den wasserdurstigen Manager, ...), aber gezeichnete Projektionen (etwa Tiere) belebten den Vorhang, je nach den Stichworten, die der Text lieferte.
Im Ensemble beeindruckte die Spielfreude der Sängerinnen und Sänger: der humorvoll-hintergründige Zauberer/Polizist/Arzt von Owen Metsileng; die tatenhungrige positive Ausstrahlung von Bibiana Nwobilo als Rosine mit ihrem frischen Sopran; Tye Maurice Thomas gab Rosinens fatalistischen Gemahl mit gelassen-schläfrigem Bass. Das Managerehepaar wurde passend vom Antoin Herrera-López Kessel, Manager Boniface mit Bassbariton, und Caroline Modiba, Divine seine Frau mit charmantem Sopran, gegeben. Antanina Kalechyts leitete wieder das Ensemble Reconsil.
Was an dieser Aufführung besonders gefiel, war ihre positive Grundhaltung: Menschen machen Fehler, im Kongo und auf der ganzen Welt, aber – und daran glaubt die Bäurin Rosine ganz fest: Man kann es zum Besseren wenden!
Der sehr gut besuchte Abend wurde seitens des Publikums mit viel Applaus bedacht.