KABBALA - Und es war mitten in der Nacht
Kabbala oder Die vertauschten Schlüssel zu den 600.000 Gemächern des Schlosses
Oratorium in hebräischer Sprache von René Clemencic (1992) - sirene Operntheater und Planetarium Wien
René Clemencic hat seine Kabbala 1992 für das legendäre zweite Mittelfest komponiert. Das Oratorium zählte damals zu den herausragenden Produktionen. Kabbala oder Die vertauschten Schlüssel zu den 600.000 Gemächern des Schlosses ist für fünf Gesangssolisten – zwei Countertenöre, zwei Tenöre und einen Bassbariton sowie sechs Instrumentalisten (Zink oder Trompete, drei Posaunen und zwei Schlagwerker) geschrieben und basiert auf einem Text in hebräischer Sprache.
In seinen Kompositionen geht es Clemencic in erster Linie um Klang‐Symbolik, wobei er Klänge und Klangkomplexe als akustische Zeichen und Chiffren für innere Erlebnisse und Erfahrungen einsetzt.
In meinem Oratorium Kabbala soll der Weg der Welt und des Menschen zumindest in einem Äon, bis zum Ende der Zeiten anklingen. (RC)
Jüdische Mystik, Zahlensymbolik der Kabbala, ungewöhnliche Besetzung: ein Oratorium, das wahre Lichtfunken sprüht und dennoch parallel eine meditative Stimmung generiert. René Clemencic ist 2022 im Alter von 94 Jahren verstorben. Er war Komponist, Dirigent, Flötenvirtuose, Gründer und Leiter des Clemencic Consort, Musikwissenschaftler und Schriftsteller, gelernter Philosoph sowie Sammler von emblematischen Büchern und Skulpturen. Er gab weltweit Konzerte und erhielt zahlreiche internationale Preise.
Das hebräische Wort Kabbala bedeute in der Übersetzung „Überlieferung“. Sie ist das Fundament der jüdischen Mystik. In ihrer tiefsten Tiefe geht sie über alles spezifisch Jüdische im herkömmlichen Sinne hinaus und spricht vom Menschen und seinem Weg durch die Welten. Behandelt werden sein Ausgesetztsein, seine Gottesferne und die Entfernung von seinem eigenen Selbst. Die Kabbala spricht von den Bedingungen seiner Entwicklung und von der Selbstverwirklichung und seiner Rückkehr ins himmlische Jerusalem. Die jüdische Weisheit und Überlieferung formuliert alles, was uns zutiefst betrifft. (RC)
In seiner Schrift gibt Clemencic ausführliche theologische und philosophische Erläuterungen, die dem wertvolle Hilfe sind, der tiefer schürfen möchte.
In der Musik folgt Clemencic konsequent seinem eigenen Duktus, unverwechselbar archaisch und darin zugleich sehr modern. Ihm geht es weniger um Ästhetik als um unmittelbare klangliche Wirkung. Die Begleitung der Singstimmen ist abwechslungsreich und phantasievoll gestaltet. Besonders die Posaunen in den tiefen Lagen sind ein wirkungsvoller Kontrast zur Tenorlage der hohen Männerstimmen. Das umfangreiche Schlagzeugarsenal kommt differenziert zum Einsatz.
Die Komplexität der kabbalistischen Magie ähnelt dem Spiel der DNA, die aus ihren Buchstaben immer neue Kombinationen schreibt. Der Zimzum ist demnach auch das kreative Nichts, vergleichbar mit der Theorie des Big Bounce ‐ einer Theorie, die ein oszillierendes Universum annimmt, in dem ein Urknall die Folge des Kollapses des Vorgänger‐Universums ist.
Kabbala wurde am 29. Juli 1992 beim Mittelfest in Cividale del Friuli uraufgeführt. Die österreichische Erstaufführung 1994 im Wiener Odeon im Rahmen der Woche Jüdischer Kultur wurde mit Jubel und Ovationen bedacht, ebenso die britische Erstaufführung 1996 in London. Es folgten eine Aufführung beim Budapester Frühlingsfestival am 29. März 2001 in der Grossen Synagoge in Budapest, eine Aufführung im Gläsernen Saal des Wiener Musikvereins am 05. März 2009 und eine weitere am 04. Dezember 2011 im Auditorium St. Pierre des Cuisines in Toulouse mit dem Ensemble Clément Janequin und Les Sacqueboutiers de Toulouse. Die szenische Erstaufführungsreihe des sirene Operntheaters im Planetarium Wien 2024 war somit bereits die siebente Aufführung dieses Werkes.
1 Prophetische Kabbala / Vokalpermutationen mit dem Teragrammaton
2 Zimzum / Eigenexil Gottes
3 Zehn Sefiroth / Zehn Gottesnamen
4 Die 22 heiligen Buchstaben
5 Meditation über den Anfang und den großen Gottesnamen
6 Bruch der Gefässe
7 Prophetische Kabbala / Die 72 Buchstabentriaden
8 Rückkehr nach vorne / Um Mitternacht / Weckruf
9 Krieg der Söhne des Lichtes und der Finsternis
10 Halleluja / Rückkehr ins himmlische Jerusalem
Film von Frederick Baker: The Kabbala Oratorio | Wikipedia