Der Standard, 02.11.2022, Ljubiša Tošić
René Clemencics Oratorium "Kabbala" bei Wien Modern im Planetarium. Das sirene Operntheater präsentiert im Planetarium Wien seinen optisch-musikalischen Beitrag zur Erhellung letzter Fragen
Wien. Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2022. Dies sind die Abenteuer des Opernschiffs sirene, das in Zusammenarbeit mit dem Festival Wien Modern und mit dem Planetarium (mit kleiner Combo und Sängern) bis 19. November unterwegs ist, um uns entlang des Oratoriums Kabbala - Und nun war es in der Mitte der Nacht von René Clemencic eine Reise durchs Universum zu gewähren.
Wenige Schritte vom Riesenrad entfernt, dringt sirene, die freie Operngruppe, mit zwei Countertenören, zwei Tenören und einem Bassbariton behutsam, aber ohne das Percussiv-Ruppige zu verstecken, in Clemencics sehr individuellen Klangkosmos vor. Zu hören sind bewegende vokale Wehklagen ebenso wie schallendes Gelächter. Zwischendurch schleichen sich auch Strukturen ein, die eindringlich von freitonalen Kollisionen der Instrumente künden.
In seiner Statik hat das Oratorium, sensibel geleitet von Dirigent François-Pierre Descamps, natürlich etwas von einem Musikmonolith, um den herum letzte Menschheitsfragen mit Texten in hebräischer Sprache kreisen. Über all den Klängen schwebt aber auch ein Videokunststück, das eine malerische Augenreise durch das Universum bietet. Ein Tanz der Planeten wird geboten, vom Schwarzen Loch geht es zu einer Supernova. Und wenn der Betrachter das Gefühl hat, ein heranrasender Planet würde ihn verschlingen, wird im Planetarium die Illusion, Teil des Universums zu sein, zur schönen Unmittelbarkeit.
Sollte man erlebt haben. Um das Thema zu vertiefen, empfiehlt sich der Besuch der zweiten sirene-Produktion. Makrokosmos, ab 22.11. im Jugendstiltheater.
Kommentare
Toporosso, 12.11.2022
Sehr beeindruckende Visuals. Vorteil: Man kann die sehen ohne sich wie sonst im Planetarium bequasseln lassen zu müssen. Nachteil: Man muss dafür zeitgenössische Musik hören ;-) Tatsächlich mag ich zeitgenössische Musik, und das Stück fand ich auch gut (wenn auch nicht herausragend), aber dafür sehr gut gesungen und gespielt (soweit ich das beurteilen kann). Allerdings korrespondierte es nur mäßig mit dem Gesehenen und die Akustik des Planetariums scheint mir für unverstärkte Musik suboptimal (wobei die Erfahrung wahrscheinlich je nach Sitzposition unterschiedlich ausfallen kann).
steto, 02.11.2022
Bin langjähriger Fan des sirene Operntheaters und werde mir auch diese Produktion nicht entgehen lassen!