Eine astrologisch-philosophische Reise durch die Kunstepochen
Ein Essay von Klemens Ludwig
Wie ein roter Faden zieht sich die astrologische Symbolik durch die Kunst, auch wenn sich die etablierte Kunstgeschichte mit dieser Einsicht schwer tut. Dabei liegt die Verbindung auf der Hand: die Kunst bringt geistige Ideen der jeweiligen Zeit zum Ausdruck. Die Astrologie macht diese Ideen durch eine zeitlose Symbolsprache erfahrbar und gibt den Menschen Orientierung bei der Suche nach ihrem Platz im Kosmos. Beide vereint die Sehnsucht nach der kosmischen Harmonie und Ästhetik. Wissenschaftler, Künstler, Sternenbeobachter sowie Sternendeuter waren lange von deren Existenz überzeugt, bis Aufklärung, Rationalismus und Postmoderne derartige Empfindungen in den Bereich der bloßen Subjektivität verbannt haben.
Zahlreiche Gemälde, Fresken, Mosaike, Skulpturen, Plastiken, ebenso wie Kathedralen, Taufkirchen und Glockentürme legen Zeugnis von der Verbindung ab. Zu den Künstlern, die sich der astrologischen Symbolik bedient haben, zählen die anonymen Baumeister der Romanik und Gotik ebenso wie Leonardo da Vinci, Albrecht Dürer, Giotto, Raffael, Tizian, Peter Paul Rubens und viele andere. Gleichzeitig war die Astrologie immer auch ein Kind ihrer Zeit und hat das Weltbild, die Glaubensgrundsätze sowie die Schwerpunkte der Kunstepoche gespiegelt.
Über Jahrtausende wurden Erscheinungen der Natur– Sonne, Mond, Sterne, Bäume, Quellen, Flüsse – als Ausdruck des Göttlichen gesehen und verehrt. Daraus entstand ein Polytheismus, der tendenziell ein hohes Maß an Toleranz praktizierte. Im 2. vorchristlichen Jahrhundert revolutionierte der ägyptische Pharao Echnathon den Gottesglauben, indem er allein die Verehrung des Sonnengottes Aton durchsetzte. Dies gilt als Ursprung des Monotheismus und inspirierte den jüdischen Propheten Moses.
Viele Symbole des Judentums bezeugen die Wertschätzung der Astrologie, etwa die Menora, der siebenarmige Leuchter. Er repräsentiert die klassischen Planeten. Eine der schönsten antiken Darstellungen des Tierkreises als Bodenmosaik kann in der Synagoge von Hamat Tiberias am See Genezareth bewundert werden. Auch in den Synagogen von Beth Alpha, Naaran, Susiya, Huseifa und Sepphoris war der Zodiak dargestellt.
In der Antike war die Kunst so umfassend und vielfältig, wie die Völker, die sie geprägt haben. Die Griechen bauten vor allem Tempel, während die Römer pragmatisch-irdischer waren. Auch die römische Astrologie blieb nicht nur gekrönten und gesalbten Häuptern vorbehalten. Auf zahlreichen Wandgemälden und Mosaiken waren astrologische Motive zu sehen. Im Alltag begegneten den Menschen zahlreiche astrologische Motive, etwa auf Münzen.
In der nach-antiken Zeit setzte zunächst ein kultureller Niedergang ein, der auch den astrologisch-künstlerischen Bereich einbezog. Erst in der Romanik nahm die astrologische Darstellung, vor allem in Kirchen, wieder einen großen Raum ein.
Viele romanische Kathedralen enthalten astrologische Darstellungen im Tympanon über dem Portal. Es symbolisiert die Grenze zwischen der sündigen, irdischen Welt und dem sakralen, göttlichen Bereich.
Ein Schwerpunkt der Romanik ist Burgund. In der Saint-Lazare-Kathedrale von Autun thront Christus im Tympanon, ebenso wie in der Sainte-Marie-Madeleine-Kathedrale von Vezelay und in Avallon. Die einzelnen Zeichen sind in runden Medaillons dargestellt und wechseln sich mit der Darstellung von Monatstätigkeiten ab. Auf diese Weise wird gegenüber dem fließenden irdischen Geschehen die Zeitlosigkeit der Sterne veranschaulicht, deutet der österreichische Wissenschaftler Otto Mazal.
Der thronende Christus als Herrscher im Tympanon entspricht dem mittelalterlichen Weltbild; der Tierkreis um ihn herum dokumentiert, dass der Herr über den Kosmos sich der Sterne als Werkzeug bedient.
Mit dem Übergang von der Romanik zur Gotik ab dem 12. Jahrhundert öffneten sich die Gesellschaft und die Kunst. Die gotischen Kathedralen dokumentieren eindrucksvoll, dass die Menschen höher hinaus wollten. Die sakralen Bauten indes blieben einer Tradition treu: In den Kathedralen von Chartres, Amiens, Paris und Reims ist der Tierkreis abgebildet, in Chartres und Paris gleich mehrfach. Neben dem Tympanon findet er sich auch in den Fenstern und an Säulenkapitellen. Besonders beeindruckt das Tierkreiszeichenfenster von Chartres mit dem Zodiak und den Monatsbildern.
Der gesellschaftliche Wandel, der sich maßgeblich im Aufstieg der Städte manifestierte, bot Künstlern die Möglichkeit, auch an nicht sakralen Bauwerken astrologische Zusammenhänge darzustellen; das gilt vor allem für Italien. Der Kunsthistoriker Blume spricht in dem Zusammenhang von „kommunaler Selbstdarstellung“.
In Padua schuf Giotto (1266 – 1337) im großen Saal des Palazzo della Ragione, großflächige Fresken der Planeten und Tierkreiszeichen. Der Dogenpalast von Venedig ist einer der bedeutendsten Profanbauten der Gotik. Mitte des 14. Jahrhunderts wurde im Südflügel ein Planetenzyklus an den Säulenkapitellen angebracht.
Die spätgotische Kunst entwickelte die Stunden- und Hausbücher zur Perfektion. Zu den bedeutendsten zählten Très Riches Heures sowie das Turin-Mailänder Stundenbuch, die beide für den Herzog Jean de Berry erstellt wurden, das Stundenbuch des Herzogs von Bedford und des Lorenzo I. Medici, oder das Gebetbuch Jakobs IV. von Schottland und seiner Gemahlin Margaret Tudor. Sie wurden mit wunderschönen Tierkreis- und Jahreszeitenmotiven geschmückt.
Historische Zäsur
Mit der Renaissance („Wiedergeburt“) endete das Mittelalter und die Neuzeit begann. Sah sich der Mensch im Mittelalter in eine göttliche Ordnung eingefügt, entdeckte er nun das Diesseits und damit Individualität, Freiheit, die Wissenschaft und Grenzenlosigkeit des Geistes. Insofern ermöglichte die Renaissance das, was unser Dasein prägt: Erfindungen und Entdeckungen vom Buchdruck bis zur Unterwerfung fremder Kontinente, die Reformation, die Etablierung des heliozentrischen Weltbilds sowie das Bewusstsein eines mit unveräußerlichen Rechten ausgestatteten Individuums.
Die Renaissance war der kulturgeschichtliche Höhepunkt für die Verbindung von Kunst und Astrologie. Viele kirchliche und weltliche Fürsten konsultierten regelmäßig ihre Hofastrologen. Papst Julius II. (1503 – 1513) ließ nach seiner Wahl den geeigneten Zeitpunkt der Krönung von seinen Astrologen errechnen.
Auch mächtige Fürstenhöfe wie die Medici, Chigi oder Sforza-Viconti boten Astrologen Entfaltungsmöglichkeiten. Für Künstler wie Leonardo da Vinci, Raffael, Tizian, Dürer und viele andere, war die Sternendeutung eine Basis der Inspiration, und auch die Wissenschaft unterschied nicht zwischen Beobachtung und Deutung. Ihre einflussreichsten Vertreter wie Johannes Kepler (1571 – 1630) beschäftigten sich intensiv mit der Astrologie.
Der päpstliche Bankier Agostino Chigi (1466 – 1520) ließ in seiner Villa Farnesina in der Sala di Galatea den Zyklus „Sternenbilder“ als Deckengemälde erstellen. Ein großer Förderer der Kunst war auch Fürst Borso d’Este (1413 – 1471) von Ferrara in der Emilia-Romagna. Die Fresken im Palazzo Schifanoia, dem Sitz der Familie Este, bezeugen das hohe Wissen der Zeit von der Astrologie.
Einige der bedeutendsten Renaissance-Maler haben astrologische Motive verschlüsselt umgesetzt. Das bekannteste Beispiel dafür ist das Fresko "Das letzte Abendmahl" von Leonardo da Vinci. Die zwölf Jünger symbolisieren den astrologischen Tierkreis, beginnend von rechts mit dem Apostel Simon, der für den Widder steht. Der starke Kopf und die dynamischen Hände, die in die gleiche Richtung zeigen, machen das deutlich. Bartholomäus ganz links beschließt die Runde, so, wie die Fische den Tierkreis. Mit einer gewissen Gelassenheit schaut er dem hektischen Treiben zu, ohne wirklich beteiligt zu sein.
Die Tradition der mit zahlreichen astrologischen Symbolen kunstvoll gestalteten Haus- und Stundenbücher erhielt durch den Buchdruck erheblichen Aufschwung. Als wichtigstes Renaissance-Meisterwerk dieser Gattung gilt der Prachtband „De Sphaera“ der Mailänder Sforza-Viconti-Dynastie. Es zeigt die Planeten einmal als antike Götter mit vielfachen Attributen. In der Österreichischen Nationalbibliothek Wien befindet sich das Gebetbuch von Jakob IV., König von Schottland (1473 – 1513) und seiner Frau Margaret Tudor (1489 – 1541). Es entstand zu Beginn des 16. Jahrhunderts und gilt als Meisterwerk der flämischen Buchmalerei. Auf insgesamt 490 mit viel Liebe zum Detail reich geschmückten Seiten hat auch der Tierkreis seinen Platz gefunden. Gleichzeitig wurden in den Städten die Tierkreis-Uhren sehr populär.
Lebenslust und Todesnähe
Zu Beginn der Neuzeit suchte eine große Katastrophe Mitteleuropa heim: der 30jährige Krieg. Aus dieser Erfahrung heraus entstand ein ambivalentes Lebensgefühl, das im Barock Ausdruck fand. Die Menschen bewegten sich zwischen Todesangst & Pessimismus, zusammengefasst in dem Grundsatz „memento mori“ (= gedenke des Todes) sowie Lebenshunger & Genusssucht, ausgedrückt durch „carpe diem“ (= nutze den Tag).
Die Kirche blieb für astrologische Darstellungen ein wichtiger Auftraggeber, aber auch weltliche Fürsten ließen es sich nicht nehmen, in ihren Palästen der astrologischen Symbolik Raum zu geben. Eines der Zentren war Prag, wo mit Kaiser Rudolf II. (1552 – 1612) ein großer Förderer der Künste, der Wissenschaften, aber auch der esoterischen Disziplinen residierte. Er ließ Münzen prägen, die neben seinem Portrait auf der Vorderseite die Ekliptik mit seinem Aszendenten Steinbock auf der Rückseite zeigten. Sein von Kepler berechnetes Horoskop wurde zur Grundlage für eigene Kunstwerke, etwa in Form von Aquarellzeichnungen. Das eindrucksvollste astrologische Dokument ist das Wallenstein-Palais, in dem heute der Senat des tschechischen Parlaments tagt. Dort befindet sich ein „astrologischer Korridor“ in barocker Üppigkeit.
Der tiefgreifende Umbruch im Bewusstsein der Menschheit brach sich im 18. Jahrhundert endgültig Bahn. Verantwortlich dafür waren die Aufklärung und die industrielle Revolution.
Nicht nur auf der Erde, auch am Himmel wurde Neuland betreten. Die Weiterentwicklung der Fernrohre zu Teleskopen führte zur Entdeckung von Uranus und Neptun.
Die immer schnelllebigere Welt beeinflusste auch die Kunst; verschiedene Stilrichtungen – wie der Klassizismus, die Romantik, der Realismus, Naturalismus und Historismus – wechselten in kurzer Zeit einander ab.
Abstrakte Darstellungen
Die Kathedralen der Zeit waren Villen für die Industriebarone, große Fabrikhallen, Wohnanlagen für die rasch wachsende urbane Bevölkerung oder Bahnhöfe. Deren Auftraggeber legten selten Wert auf metaphysische Symbolik.
Vereinzelt gab es jedoch Bestrebungen, sich dieser Entwicklung zu widersetzen. 1875, als der Historismus seinen Höhepunkt erreicht hatte, gestaltete der Bildhauer Adolf Heer die Donauquelle mit den zwölf Tierkreiszeichen darum.
Der Jugendstil griff ebenfalls auf die astrologische Symbolik zurück, sogar noch offener als die anderen Kunstgattungen. Ein Schwerpunkt des Jugendstils ist die Mathildenhöhe in Darmstadt. Ihr Wahrzeichen ist der Hochzeitsturm. Das 1907 errichtete Gebäude enthält eine Sonnenuhr umgeben vom Tierkreis. Auch einige der modernen Tempel bedienten sich offen der astrologischen Symbolik, so das Alte Gerichtshaus in Bremen im Stile des Historismus.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde deutlich, dass sich die großen Hoffnungen auf eine bessere Welt durch den Fortschritt der Wissenschaft nur bedingt erfüllt haben. Auch tiefere Fragen nach dem Rätsel des Lebens blieben trotz der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse unbeantwortet, was eine Renaissance des Spirituellen hervorgerufen hat.
Die Kunst des 20. Jahrhunderts ist stärker als jede andere Epoche geprägt von der Suche nach neuen Ausdrucksformen. Kubismus, abstrakte Kunst, Surrealismus verstanden sich als Gegenentwurf zum etablierten System, auch politisch.
Insgesamt öffneten sich auch viele Künstler verstärkt spirituellen Themen. Die Astrologie gelangte zu neuer Bedeutung, weil sie sich grundlegend erneuerte. Sie hat sich der Psychologie angenähert und bietet Lebenshilfen an.
Die europäischen Mythen beeinflussen das Werk von Anselm Kiefer (geb. 1945). Seine Bilder „Saturnzeit“ oder „Lilith“ zeigen ein tiefes astrologisches Verständnis. Der Meister der Pop-Art (= Popular Art), Andy Warhol (1928 – 1987), hat ebenfalls astrologische Themen aufgegriffen. Getreu seinem Motto, Alltagsmotive zum Gegenstand der Kunst zu erheben, bediente sich Warhol 1959 in einer Tierkreis-Serie vertrauten Zuweisungen („der hoffnungsvolle Widder“, „der scharfsinnige Schütze“) und fügte den Zeichnungen handschriftliche Interpretationen bei.
Der niederländische surrealistische Maler Johfra Bosschart, eigentlich Johannes van den Berg (1919 – 1989) schuf Poster der zwölf Tierkreiszeichen, die heute in verschiedener Form weit verbreitet sind.
Vergleichbar mit Johfra ist die österreichische Künstlerin Rosina Wachtmeister (geb. 1939). Mit der Gestaltung von Gebrauchsgegenständen erreicht sie ein ästhetisch interessiertes Massenpublikum. Zudem hat sie eine eigene Buchreihe für die zwölf Tierkreiszeichen kreiert. Im Wiener Hundertwasser-Haus ist ein astrologischer Brunnen zu sehen.
Die Vertreter der abstrakten Kunst griffen ebenfalls immer wieder kosmische Symbole auf, Hilma af Klint (1862 – 1944), deren höchst spirituelle Pionierin, in ihrer Serie „Die Taube“. Von Paul Klee (1879 – 1940) stammt das Gemälde „Himmelszeichen über dem Feld“. Wassily Kandinsky (1866 – 1944), schuf das Ölgemälde „Kreise innerhalb eines Kreises“. Die dadaistische Grafikerin Hannah Höch (1889 – 1978) kreierte das Gemälde „Frau mit Saturn“. Der franko-kanadische Künstler Francois Dallegret (geb. 1937) stellte die zwölf Tierkreiszeichen in Form von Rennwagen dar.
Schließlich sei noch Salvador Dalí erwähnt, der Meister des Surrealismus. 1967 schuf er die Lithografie „Die zwölf Zeichen des Zodiak“. Auch ein von ihm kreiertes Tarot mit astrologischen Verknüpfungen offenbart sein kosmisches Verständnis.
Besonderer Beliebtheit erfreuen sich astrologische Darstellungen im Bereich des Kunsthandwerks. Ketten, Ringe, Armbänder und sonstiger Schmuckmit Tierkreiszeichen- oder Planetenmotiven knüpfen an die Forderung der modernen Kunst an, das Alltägliche zum Kunstwerk zu erheben.
Buchtipp: Klemens Ludwig: „Astrologie in der Kunst. 4000 Jahre kosmische Harmonie und Ästhetik“, Chiron Verlag, Tübingen, 2013. Klemens Ludwig ist, unmittelbar nachdem er diesen Beitrag geschrieben hat, am 11.12.2022 gestorben. Wir behalten ihm ein dankbares Angedenken.