Der Standard, 28.09.2023, Ljubiša Tošić (pr)
sirene Operntheater lässt Pflanzen sprechen / Wenn die Pflanzen Trauer tragen
Opernneuheit „Miameide“ im Jugendstiltheater
Geht es der Wirtschaft gut, geht es der Wirtschaft gut!“Die Arbeitslosen vertreiben sich tautologisch singend die Zeit. Sie warten, von den Sachbearbeiterinnen des Amtes aufgerufen zu werden. Auch Mia ist dabei und hält sich die Ohren zu, wenn die mit ihr Wartenden ihre Wirtschaftsphrasen skandieren. Mias Ohren sind jedoch nicht nur empfindlich. Sie versteht, so wie Siegfried in Wagners Ring den Gesang der Vögel, die Sprache der leidenden Pflanzen.
Im Jugendstiltheater in Wien auf der Baumgartner Höhe, wo das sirene Operntheater die Oper Miameide von Julia Purgina (Libretto: Kristine Tornquist) auf leerer Fläche mit dahinter erstrahlendem Pflanzentrickfilm (Julia Libiseller, Germano Milite) zeigt, erwächst daraus ein Problem. Mia ist unvermittelbar (glänzend: Johanna Krokovay), ihr Hörtalent bringt zu viel Empathie für die Pflanzen mit. Im Blumenladen verhindert sie als Käuferin Käufe, auch versagt sie als Gartengehilfin. Schließlich aber, es gibt Happy End, geht Mia in der Pflanzenwelt auf.
Die Regie von Kristine Tornquist ist skurril, was die Sachbearbeiterinnen anbelangt. Auch hängt sie ein bisschen durch, da sie die Episodenhaftigkeit der Musik buchstabiert und die filmische Verarbeitung des Themas mit dem Szenischen nur zum Schluss verschmilzt. Zudem ermüdet die filmische Darstellung vom Werden und Vergehen der Pflanzen selbst mit der Zeit.
Und doch ist da ein besonderer Charme. Er rührt von der orchestralen Vielschichtigkeit her, die Julia Purgina erweckt. Das Ensemble PHACE (Leitung: Antanina Kalechyts) erweckt diese bisweilen schräg groovenden, dann raffiniert poetischen Strukturen delikat. Zum Schluss fügen sich die Motivstränge zu kontrapunktischen Schwebungen und Wucherungen zusammen. Instrumental stark, mit einem vokal starken Ensemble.
KOMMENTAR: Meister_Ploderwaschl 30.09.2023:
Zeitlos, bezaubernd, mitreißend! Kann der Kritik hier nur beipflichten. Selten so eine zeitlos schöne und originelle Oper (die keine Sekunde lang retrospektiv ist, im Gegenteil, die auch aus allen Möglichkeiten unserer Zeit schöpft) unserer Zeit gehört/gesehen. Das eher minimalistische Libretto ist Ausgangspunkt für eine wuchernde, flirrende, emotionale und sinnliche Musik, die eindeutig den Abend trägt. Und der Schluss, na ja, der setzt dem Ganzen dann noch das Sahnehäubchen oben drauf. Ganz große Sache. Eine österreichische Komponistin, die noch viel bekannter sein müsste... so unter uns gesagt.