Gerhard Kramer

Kramer, Gerhard

Kritik.

Wer ihn anrief - und das war bis lang in die Nullerjahre nur über das Festnetz möglich -, der hörte stets das Gleiche: zwei, drei Freizeichen, ein Rauschen in der Leitung, dann eine resolute Stimme, in der etwas Gebieterisches, aber auch Gnädiges lag: "Kramer!"

Diese Stimme also gehörte Gerhard Kramer - ein Name von Ruf. Kramer, mit vollem Titel Professor Doktor, war Bildungsbürger im altehrwürdigen Sinne: Hauptberuflich Jurist, engagierte er sich beherzt auf dem Feld der klassischen Musik. Und das sehr tatkräftig. Dass in seinem Haus Streichquartett-Abende stattfanden - in modernen Zeiten an sich schon ein Kuriosum -, war dabei noch das Geringste.

Geboren 1934 in einer Wiener Juristenfamilie, schlug Kramer eine Richterlaufbahn ein; sie sollte ihn bis zum Verwaltungsgerichtshof emporführen. Zugleich ließ er sich an der Musikhochschule ausbilden, wurde vom Dirigenten Hans Swarowsky unterwiesen. Getrieben von einer Liebe zur Alten Musik, gründete und leitete er ab Mitte der 50er Ensembles wie das Convivium Musicum Vindobonense, das Auftritte vom Wiener Musikverein bis Zadar absolvierte. Einen Höhepunkt in Kramers Wirken als Dirigent markierte die erste Gesamtaufführung von Pietro Antonio Cestis Oper "Il pomo d’oro" seit 1668 am Uraufführungsort, dem heutigen Prunksaal der Nationalbibliothek. Dem Publikum war Kramer aber auch als milder, hochkompetenter Klassikkritiker bekannt: Von 1965 (!) bis ins Jahr 2007 erschienen seine Rezensionen in der "Presse", danach bis 2012 in der "Wiener Zeitung". Er rezensierte oft und gern Produktionen des sirene Operntheaters, wofür wir ihm einen grossen Dank sagen möchten.

In den frühen Morgenstunden des 24. Dezember 2015 ist Gerhard Kramer nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben.

Nachruf im Standard