Die Furche, Mai 1998, Angela Thierry † (pdf)

Verleumdete Unschuld. Mysterienspiel in der restaurierten Wiener Jesuitenkirche

Im 17. Jahrhundert haben die Jesuiten das Theaterleben Wiens massgeblich beeinflusst. Gemäss dieser Tradition wurde nun - nach Abschluss der Renovierungsarbeiten an und in der Wiener Universitätskirche - am Dr.-Ignaz-Seipel-Platz ein spätbarockes Mysterienspiel aus Laas in Südtirol aufgeführt. "Hirlanda" erzählt die Geschichte einer bretonischen Königin, die in Abwesenheit ihres Mannes, des Herzogs Artus, Opfer von Intrigen ihres Schwagers Gerald wird. Erst nach vielen Verwicklungen kommt am Ende die Wahrheit ans Licht.

Bereits 1640 hat der französische Jesuitenpater René de Cériziérs (1603-1662) die Figur der bretonischen Herzogin Hirlanda einem breiteren Publikum bekannt gemacht. Johannes Udalricus von Federspill (1739-1794) aus Laas in Südtirol wählte dieses Sujet der französischen Geschichte, das er bereits in seiner Jugend als "moralisches Exempel" im Rahmen seiner katholischen Erziehung kennengelernt hatte, als Stoff für ein Drama.

Die durch Hannes B. Pircher SJ umgesetzte Produktion des Stückes in der Wiener Jesuitenkirche ist beeindruckend. Der gesamte Kirchenraum wurde als Bühne verwendet. Die Figuren der Handlung waren, gemäss ihrer moralischen Bedeutung, an verschiedenen Schau- und Spielplätzen eingesetzt. Die Dramaturgie folgte einerseits der Tradition der strengen geometrischen Organisation im mittelalterlichen Mysterienspiel, andererseits wurde die Idee der modernen Simultanbühne berücksichtigt, in der der Zuschauer seinen jeweiligen Blickpunkt frei wählen kann.

Durch die Verteilung der Instrumente auf Seitenaltäre, Balkone und Nebenräume war die teilweise sehr anspruchsvolle und ungewohnte Musik in der gesamten Kirche erlebbar.

Engagierte Schauspieler wie Ute Springer, Lutz Blochberger, Harald Posch, Dorothea Plaim und andere charakterisierten sehr eindrucksvoll die Figuren des Laaser Stücks in sehr schlichten Kostümen (von Ulrich Braun bemalte Leinenkleider mit assoziativen Symbolen).

Die Zuschauer erlebten barockes Welttheater mit sehr ungewohnten Bühnenelementen. Der Kirchenraum, mit einem sehr gelungenen Lichtdesign von Philipp Harnoncourt, war wohl das wichtigste Element einer Produktion, die vom Publikum sehr positiv aufgenommen wurde.

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