Der automatische Teufel - ein Stück für zwei Komponisten
Die seit der Nachkriegszeit zwar nicht mehr so heftig geführte, aber dennoch unvergessene Debatte um den Werkbegriff eines Musikstücks hat zu unterschiedlichen Positionen auch hinsichtlich der Authentizität der Autorenschaft geführt. Während vor allem die Originalklangszene das Komponistenwollen zur conditio sine qua non erklärte, verlor sich das Bild des das Werk und dessen hermetisch geschlossene Präliminarien bestimmenden Komponisten etwa zwischen Aleatorik, Dialogik, Montage, Szenographik und graphologischen Experimenten. Ein Sonderfall ist noch die vor allem den Jazzbereich dominierende Improvisatorik.
Unsere Idee, zwei Komponisten ein Dilemma erfinden zu lassen, das ein "Werk" sein will, orientiert sich natürlich an der dem Stück zugrundeliegenden Konzeption vom Zueinanderstreben und Auseinanderwollen zweier Antagonisten: klar voneinander geschiedene und doch ineinandergreifende Methoden führen eben nicht zur Polystilistik, sondern zum Finden von Vermengbarem, sowohl im unüberbrückbaren Unterschied als auch in der Konvergenz ästhetischer Verhaltungen, die das je andere schon längst in sich widerspiegeln und umschliessen. So begann alles mit der Beschränkung der Mittel, die mir unerlässlich für eine Bedeutungsträgerschaft von sprachlichen Zeichen erscheint.
Zunächst einigten wir uns auf die Verwendung des temperierten Zwölftonsystems sowie den Ausschluss metrisch freier Felder, dann ein Verbot des gesteuerten Einsatzes der Sprechstimme und der Erzeugung von nichttonhöhengebundenen Geräuschen. Daniel Pabst bestimmte zunächst ein "vollständiges" Instrumentaltrio von Violine, Altsaxophon und Kontrabass, das ich mit der Wahl von Flöte, Röhrenxylophon und Pedalpauken komplementär zu ergänzen suchte. Die beiden dramatischen Fächer von hohem Sopran und Heldentenor ergaben sich "von selbst", sollten aber nur gelegentlich zum Durchbruch kommen, um ein Zuviel an Dramatik zu vermeiden.
Dann schrieben wir beide unabhängig voneinander die beiden ersten Solo-Arien, wobei Pabst einen Schwerpunkt auf die Verwendung einer "Reihe" und rhythmischer Muster legen wollte, ich mehr ein harmonisches Gefälle und freie Linienführung favorisierte (die allzu augenfällige "Bedeutung" dieser Vorentscheidungen ist vollständig biographisch, nicht als solche gemeint).
Nach Austausch der abgeschlossenen Arbeiten sowie wechselseitiger Analyse komponierten wir die beiden Duette, in denen das eine der Monster das jeweils andere von der "Richtigkeit" seiner Welterfahrung zu überzeugen sucht. Dabei dienten die Arien als Grundmaterial. Nach Beendigung dieses Aufeinandergreifens entstanden die beiden Finale, wobei Pabst das zweite, ich das erste begann, indem ein vollständiger Musiktext entstand, jeder schreibt allerdings für "sein" Trio und "seine" Stimme. Diese "halben" - aber vollständigen - Stücke tauschten wir zur Ergänzung der jeweils "fehlenden" Besetzungshälfte aus. Schlie§lich verfassten wir - etwas berauscht - die erste Begegnung von Ahoi und Adieu synchron.
Alles Übrige entstand früher oder später.