Ein komisches Intermezzo von Giovanni Battista Pergolesi (1733)
Das Werkverzeichnis Giovanni Battista Pergolesis ist nicht lang, aber die wenigen Werke, die er in seiner kurzen Lebensspanne geschrieben hat, haben seinen Namen zu einem der berühmtesten der italienischen Musikgeschichte gemacht. So hat Pergolesi neben drei Messen, dem "Stabat mater" und einigen geistlichen Kompositionen zwei drammi sacri, vier opere serie, zwei commedie per musica und zwei intermezzi geschrieben und damit dem Musiktheater, dem wohl sein größtes Interesse galt, in allen Sparten bedeutende Beiträge geliefert.
Einen Großteil seines Ruhms verdankt Pergolesi den beiden musikalischen Komödien und den beiden Intermezzi, die alle schon bei ihren ersten Aufführungen in Neapel mit allgemeinem Jubel begrüßt wurden. Allen voran "La serva padrona" (Die Magd als Herrin), das Intermezzo, dessen zwei Akte in den Pausen seiner opera seria "Il prigioniero superbo" am 28. August 1733 im Teatro San Bartolomeo erstmals auf die Bühne gelangten.
Pergolesis "La serva padrona" ist das bekannteste komische Intermezzo. Die zwei oder drei Teile dieser kleinen Stücke wurden zwischen die Akte großer heroischer Barockopern eingeschoben. Sie wurden, was nicht immer der Fall sein muß, vom selben Komponisten wie die dazugehörige opera seria verfaßt. "La serva padrona" bildete so eine Einheit mit "Il prigioniero superbo" eine reizvolle Abwechslung von komischen und tragischen Szenen.
Während die Bühne für deren nächsten Akt umgebaut wurde, spielten zwei Sänger und Pantomimen auf dem Bühnenrand jeweils einen Teil des Intermezzos. Jeder dieser Teile bestand in der Regel aus zwei Arien und einem Schlussduett. Die großen Opern um das Intermezzo herum handelten vom tragischen Konflikt zwischen persönlicher Neigung und Staatsraison. Ein Prinz verliebte sich etwa unwissentlich in die Tochter seines schlimmsten Feindes. Die komischen Intermezzi dagegen waren in der lächerlichen Sphäre derbster Bürgerlichkeit angesiedelt: Da beklagt sich jemand, dass man ihn stundenlang auf sein Frühstück warten lässt, eine andere Figur frönt dem Laster des Tabakrauchens, eine dritte Figur kann nur mit Mühe einen gigantischen Furz zurückhalten. Der Plot der Intermezzi ist fast ausnahmslos gleich: eine gewitzte Frau zwingt einen Mann zur Heirat. Diese Banalität der Handlung machte Pergolesis "La serva padrona" erst zwei Jahrzehnte nach der Entstehung weltberühmt ("Buffonistenstreit").
"La serva padrona" gilt auch heute noch als Musterbeispiel seiner Art und übertrifft viele vergleichbaren Werke seiner Epoche an Wirkung. Erstaunlich ist dies um so mehr, als die eingesetzten Mittel äußerst bescheiden sind: zwei Sänger (ein Sopran, ein Baß), eine stumme Rolle, ein Cembalo und ein Streichquartett. Das Sujet von der listigen Dienerin, die ihren eigenbrötlerischen Herrn dazu bringt, sie zu heiraten, ist dabei alles andere als neu:
Uberto und Serpina leben schon einige Jahre unter einem Dach. Wutausbrüche und wüste Beleidigungen, Kränkungen und Mimosen-haftigkeit sind an der Tagesordnung. Denn Serpina will Uberto heiraten. Der aber weigert sich heftig, so dass alle Eroberungsversuche Serpinas ins Leere laufen. Uberto bekundet gar, jede beliebige andere Frau heiraten zu wollen. Serpina greift zur List. Der Diener Vespone muss sich als ihr Liebhaber ausgeben. Mit einer Abschiedsszene hofft Serpina Uberto noch umzustimmen. Uberto ist sich über seine Gefühle nicht im klaren: zwar liebt er Serpina, zu viele Bedenken hindern ihn aber an einem festen Entschluss. Doch Serpina zwingt ihn mit Vespones Hilfe, sie zur Frau zu nehmen. Uberto hält sein Eheversprechen auch nachdem er die Intrige durchschaut hat. Wie wird Serpinas und Ubertos Zweisamkeit unter diesen neuen Vorzeichen aussehen?
Italienische Wandertruppen entdeckten das Stück für ihre Gastspielreisen. "La serva padrona" wurde nach dem Erfolg in Neapel auch in Rom, Parma, Bologna, Ferrara, Venedig, Modena, Florenz, Graz, Dresden und Hamburg gezeigt. Es gelangte 1746 und 1752 auch nach Paris. Was beim ersten Besuch nur Gefallen erregt hatte, entflammte beim zweiten helles Entzücken. Der "Buffonistenstreit" spaltete die französische Opernszene in zwei Lager: pro und contra "La serva padrona". Die Anhänger der Einfachheit, der Durchsichtigkeit, der warmen italienischen Ausdrucksstärke mit Rousseau und den Enzyklopädisten an der Spitze auf der einen Seite und die Verteidiger des Intellektualismus (z.B. Rameau) auf der anderen Seite. Im Verständnis der Verächter galten "Buffonist, Republikaner, Frondeur und nicht zu vergessen Atheist als gleichbedeutende Begriffe". Im Rückblick gesehen ist der Streit um die "Bürgerlichkeit" der Intermezzi ein Vorschein der sozialen Auseinandersetzungen, die in die französische Revolution mündeten.