Tiroler Landestheater stellt sieben Opernminiaturen vor - Rosen, Schutt und Köpferollen
Kinder, schafft Neues! Das rief schon Robert Schumann seinen Zeitgenossen zu. Das Tiroler Landestheater hält sich daran. Aus der jährlichen Opern-Uraufführung wurden heuer sieben auf einen Streich, aber im Miniformat und "Operellen" genannt. Die sieben Produkte zum Teil renommierter Dichter und Komponisten hatten als Auftragsarbeiten des Wiener sirene Operntheaters am Sonntagabend in den Kammerspielen ihre heftig akklamierte Uraufführung.
Opern auf Millimeterpapier, mit den vorgegebenen Personen Johann und Johanna, Zwerg, Dieb und - Voltaire: Was die 14 individuellen Sprach- und Tonschöpfer daraus fabrizierten, war ebenso spannend wie die lebendige Umsetzung durch Regisseurin Kristine Tornquist und die musikalischen Interpreten: die stimmlich wie darstellerisch in ihrer Wandlungsfähigkeit enorm geforderten Sänger und das einsatzfreudige Tiroler Ensemble für Neue Musik (TENM) unter seinem leidenschaftlichen und präzisen Dirigenten Dorian Keilhack. Walter Vogelweider hat als putziges Bühnenbild einen schiefen, beweglichen Würfel mit vielen winzigen und größeren Fenstern und Türen entworfen, dessen Farben und Muster Julia Libiseller auch in den verspielten Kostümen aufgriff.
Was man sah und hörte, war witziges und absurdes, kontemplatives und existenzialistisches Theater, das auch ins Melancholische umkippten konnte; originelle Ideen mit ernstem Hintergrund lieferten Zitate und Assoziationen am laufenden Band. Voltaire als "roter Faden" ließ an Zürichs dadaistisches Cabaret Voltaire denken. Mit Rosen als spitzen Geschossen und einem pulsierenden Herzen operierte das Team Walter Titz und Komponist Peter Planyavsky im Stück "HerzLosZeitLos", "Schock- ein Hunderennen" nannten Hosea Rathschiller und Lukas Tagwerker ihr Libretto, das Akos Banlaky rhythmisch markant komponiert hat; ins Tragisch-Biografische zielte Hermes Phettbergs "Schutt", von Gilbert Handler einfühlsam vertont. Als viertes Stück vor der Pause hatte es Friederike Mayröckers meditative "Stretta" mit der versonnenen Musik von Wolfram Wagner nicht ganz leicht, den Spannungsbogen zu halten. Wolfgang Bauer, der ja schon früher "Mikrodramen" mit starkem musikalischen Bezug geschrieben hatte, schuf mit dem Berliner Komponisten Jury Everhartz eine Streichquartettparodie "Das gestohlene Herz", während "Die vertauschten Köpfe" von Radek Knapp mit der Musik von Christof Dienz eine amüsante Assoziationskette in Gang setzten, die von Salome bis zur Transplantationschirurgie reichte. Da ist ein Extrakompliment an den Maskenbildner angebracht! Als Finale hatte Regisseurin Kristine Tornquist ihr ironisches, von Kurt Schwertsik adäquat vertontes Stück "Schlaf der Gerechten" angesetzt, in dem es um zeitgeistige Eitelkeit und Selbstbetrug geht.
Als fabelhafte Gesangssolisten glänzten Renate Fankhauser, Shauna Elkin, Dan Chamandy und Michael Wagner in den verschiedenen Rollen mit enormer Flexibilität; Klaus Rohrmoser trug als Dieb und Voltaire mit feiner Sprach- und Darstellungskunst besondere Facetten bei. Und die tüchtigen Instrumentalisten sorgten mit Violine, Cello, Kontrabass, Flöte, Klarinette, Saxophon, Trompete, Posaune, Akkordeon und Schlagzeug für spritzige kammermusikalische Transparenz.
Insgesamt ein geistvolles Vergnügen!