Der Clown
In England gaben seit Anfang des 16. Jahrhunderts Clowns Zwischenspiele engl. Bühnenstücken, um die Zuschauer zu unterhalten. Der Clown trägt den colonus, den als unbeholfen empfundenen, lächerlichen Bauern etymologisch noch in sich, und war der Tölpel vom Land, den man ungestraft auslachen konnte. In der ersten Ausgabe von Shakespeares "Hamlet" heißen die beiden Totengräber "1. und 2. Clown".
Verwandte und Vorgänger hat der Clown viele, etwa den Bajazzo, ursprünglich Pagliacco (zu deutsch Strohsack), der traditionell in den blauweisskarierten Bezug der Strohmatratze gekleidet war. Er entstammt der großen Familie der Lustigen. Der ungarische Wurstel heisst Vitesz Laszlo, in der Türkei treibt Karagöz sein Unwesen, Jan Klaassen in Holland, Hanswurst und Kasper in Deutschland, Mester Jackel in Dänemark, Pulcinella in Italien, Petruschka (spricht durch eine Pfeife) in Russland, Vasilache in Rumänien, in Frankreich Le guignol und in England streitet der Punch mit seiner Judy. Auch Till Eulenspiegel ist eine clowneske Figur.
Allen gemein ist eine tiefe Verbindung zum Volk, das sich im Talent, sich aus misslichen Situationen mittels eines derben Witzes oder simplen Kniffes zu retten, selbst gern wiedererkannte. Denn der klassische Clown mit der roten Nase hat mit den oben genannten Figuren gemein, dass er sich nicht schämt, zu sein, wer er ist. Er benimmt sich wie ein Kind oder ein Autist und erreicht mit diesem ungenierten Verhalten, was er erreichen will: nicht allzu viel, aber genug.
Alfred Polgar nannte Grocks geniale Clownerien (1925 im Ronacher) "Kurzschlüsse zwischen Vernunft und Trieb" und attestierte ihm die "Kompensierung aüßerster Ungeschicklichkeit durch äußertste Geschicklichkeit". Clown ist der, der auch ungebildet erfolgreich sein darf.
Später tauchten die traurigen Clowns auf, die eine kulturelle Mutation darstellen: die Lustigkeit wird differenziert, wohl auch weil die Darsteller ambitionierter wurden und verschiedene Vorfahren des Clowns sich verbanden. Zum Beispiel ist der Weissclown, der mit dem dummen August (eine Erfindung Tom Bellings (1843 - 1900) für den Zirkus Renz) in Verbindung auftritt, eher ein eleganter Pantomime und hat mit der Derbheit des Clowns auch in der Bekleidung nichts mehr zu tun: sein Kostüm ist meist ausgesprochen aufwendig und kostbar. Der Weißclown geht zurück auf Harlekin und Pierrot; sein Urahne ist der mimus albus der antiken Komödien.
Auf ganz andere Weise verkörperte etwa Charly Chaplin in Limelight die traurige Seite des Lustigseins, in der die repräsentierte Fröhlichkeit durch grosse persönliche Tiefe des Darstellers erkauft werden muss. Die Flüchtigkeit des Lachens und die "postkoitale Traurigkeit" sind moderne Aspekte des Clowns.
Heute ist der Clown eine äusserst zwiespältige Figur, die für Kinder noch traditionell lustig und harmlos gespielt wird, für Erwachsene aber zunehmend psychotische Züge annimmt und häufig als Horrorfigur auftaucht. Dass das Lustige einfach nur lustig ist, ist kaum noch denkbar, hinter der Lustigkeit wird unbedingt Düstere oder zumindest das Tragische vermutet.
Kristine Tornquist | zitiert auf: Komikerduo | Dummer August