Oper für eine Sängerin von Grigori Frid
21 Tagebucheintragungen von Anne Frank
Der im Jahre 1915 in St.Petersburg geborene Grigori Frid studierte am Moskauer Konservatorium. Das seit 1960 in der UdSSR bekannte Tagebuch der Anne Frank nahm Frid als Vorlage für seine Komposition. Ulrike Patow besorgte die Textauswahl und stellte die einzelnen Szenen in original deutscher Sprache zusammen. Frid begann im Juni 1969 die Arbeit und legte bereits im August 1969 eine „Partitur für Klavier und Gesang“ vor. Das ca. einstündige, zweiteilige, durch vier Szenen unterteilte Mono-Drama vollzieht sich in 21 Episoden. 1972 wurde das Werk als Orchesterfassung für 26 Musiker in Moskau uraufgeführt. 1978 gelangte die Partitur in die U.S.A. und wurde zu einem festen Bestandteil der internationalen Bühnen. 1999 bearbeitete Frid die Partitur für neun Soloinstrumente.
Es sind Stimmungsbilder des jungen Mädchens, wobei die sich dramatisch zuspitzenden äußeren Geschehnisse fast im Hintergrund bleiben. Der Komponist interessiert sich für die subjektive Wahrnehmung, für das Individuum, weniger für die objektiven Umstände, die zur Katastrophe führen. Durch diese Form des “Mit-Leidens” gewinnt er dem Text eine universelle Botschaft ab, die eine Ausdeutung des Stoffes durch Musik erst rechtfertigt: Hier soll nicht das Grauenhafte musikalisch unterlegt werden, sondern durch die Musik der humanitäre Aspekt in den Vordergrund gestellt werden. Die Oper für eine Sängerin endet mit einer Szene, in der Anne aus dem Licht des Tages Hoffnung für ihr Leben zieht - eine vergebliche Hoffnung: Anne Frank starb 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Grigori Frid hat Anne Franks Tagebuch als ein bleibend aktuelles, philosophisches und zutiefst ethisches Werk charakterisiert. Freiheit und Würde des Menschen, der Vorrang des Geistes vor dem Körper und des Bewusstseins vor der Materie, die Einsamkeit der Jugend, die ihre Positionen verteidigen muss, zu einer Zeit, in der alle Ideale Schiffbruch erleiden, wo die Menschen an der Wahrheit und der Gerechtigkeit zweifeln, und schließlich auch das Wesen des Menschen, dessen eigentliche Natur erst im Verhalten in konkreten Situationen zutage tritt.
Das Wichtigste war, kein Wort am Text zu ändern, nichts hinzuzudenken, aber auch die Montage der Episoden die Dramaturgie aufzubauen. So begierig war ich darauf, diese Musik zu machen, dass ich am Abend, an dem ich die erste Libretto-Seite fertig hatte, sofort die Noten dazu geschrieben habe.