Jakob Scheids Musikmaschinen

Text von Kristine Tornquist

Wie der Maler mit Farben und Flächen umgeht, so arbeitet der kinetische Künstler mit Bewegungen, die an gewisse Zeitspannen gebunden sind. Die zu Gebote stehenden Bewegungsarten sind recht einfach und gering an der Zahl. Die abendländische Musik verwendet 12 Töne. Kaum mehr Elemente stehen der kinetischen Kunst zur Verfügung... Schwingen, Kreisen, Pendeln, Vibrieren von Teilen, Beschleunigung, Verlangsamung.
George Rickey

Der Künstler Jakob Scheid setzt aus diesen Grundelementen und Techniken, die der kinetischen Kunst zur Verfügung stehen, hochkomplexe Maschinen zusammen. Oft sind es Automaten, die man nicht bedienen muss, sondern die selbsttätig sind, meistens ist die Interaktion mit der Umwelt minimal, vielmehr führen sie endlose Dialoge mit sich selbst - es sind Systeme, die selbstregulierende und wie in der Natur ineinander verschachtelte Regelkreise bilden.

Dabei lässt er verschiedene Techniken und Aggregatzustände des Technischen überraschend ineinandergreifen. Die übliche Hierachie und Reihenfolge - dass ein Computer eine mechanische Bewegung initiiert und steuert - dreht Scheid mitunter um und lässt den Computer von einer mechanischen Komponente der Maschine programmieren - etwa indem Maschinenteile blindlings auf eine Computertastatur einstechen und damit programmieren, welche Bewegungen sie (über weitere Umwege) als nächstes machen werden.
Computergesteuerte Mechanik wird umgewandelt in Töne, Töne rufen optische Reaktionen hervor, die wiederum werden in elektrische Impulse umgerechnet, damit sich eine neue Bewegung in Gang setzen kann und mittels Pneumatik den Computer steuert etc. (so etwa bei der Geigenmaschine 1999).

“Mein Thema ist die Kompliziertheit an sich.”

Gerade an diesen Schnittstellen aber entsteht das, was Scheids Arbeit auszeichnet: er räumt dem Zufall und dem Fehler Platz ein und gewinnt damit eine Komplexität, die eine durchprogrammierte Maschine nie haben kann. In seinen Maschinen kommunizieren unabhängige Körperteile miteinander, und sind mit- oder gegeneinander beständig auf der Suche nach einem gemeinsamen (Un-)Gleichgewicht von Input und Output - etwa wie im Gehirn eines Schläfers, der zwar kaum Austausch mit der Aussenwelt hat - und dennoch wild träumt.

Nicht dienende bzw. produzierende Maschinen, nicht programmierte Abläufe, sondern deren Unberechenbarkeiten oder sogar Eskalationen sind das, was Scheid interessiert. Obwohl die meisten Arbeiten Bilder oder Töne erzeugen, greift es zu kurz, seine Arbeiten unter dem Begriff Kunstmaschine zu subsummieren. Diese Äusserungen sind nur die Nebenprodukte oder Zwischenstadien eines vom Erzeugen losgelösten, unabhängigen „Lebensprozesses”. Scheids Maschinen „leben” - und das bedeutet, sie haben ein in sich hermetisch wirkendes Ziel, das sie (oft vergeblich) zu erreichen versuchen und das im Erreichen stets ein nächstes Ziel auslöst (so bei den Monochorden 2007).

“Die Assoziationen, die die Maschinen hervorrufen sind keine Botschaften. Sie sind, ähnlich wie die Töne, unverbindliche (wenn auch willkommene) Nebeneffekte. Die Maschinen erzählen ihre Geschichten so absichtslos wie ein fallendes Blatt.”

Für den laienhaften Betrachter, der von den Steuerungsvorgängen nichts versteht, erschliesst sich die Welt dieser Maschinen dennoch erstaunlich logisch. Denn ist auch ihr Bauplan unüberschaubar, scheint das, was sie tun - also ihr Output - begreifbar. Instinktiv begreifbar.

Oft genug kann man Zuseher sagen hören: „Die arme Maschine!“, „Jetzt freut sie sich!“ oder „Ist das aber schrecklich!“. Obwohl sie nüchtern gebaut sind, die Technik nicht hinter einer Fassade versteckt ist, sondern offen präsentiert wird, haben die Maschinen etwas Anrührendes, Menschliches an sich, denn sie machen Fehler, sie scheitern, sie plagen sich und kommen - wie Sisifus - nie ganz ans Ziel.

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