Musikautomaten - der Traum vom automatischen Orchester

Selbstspielende Klangmaschinen sind eine alte Sehnsucht fast aller Kulturen, die früheste bekannten Konstruktionen sind Platons Nachtuhr und Klangspiele von Archimedes.

Leonardo da Vinci konstruierte einen Trommelwagen, der seine Rhythmen in Fahrgeschwindigkeit abspielte und eine Drehorgel, die bereits wie moderne Walzendrehorgeln funktionierte. Zur Hochblüte gelangte die Vorstellung vom künstlichen Instrumentalisten aber im Barock.

Jacques de Vaucanson (1709 - 1782) studierte die Bewegungsabläufe des Menschen ebenso wie den Aufbau und die Spielweise der Querflöte und fertigte einen künstlichen Flötenspieler. Bei diesem im Jahre 1738 präsentierten Androiden gelangte der mit Blasbälgen erzeugte Luftstrom durch den Mund und über die Zunge an das Mundstück der Flöte. Dort wurde der Ton gebildet, den die Finger, auf den entsprechenden Klappen liegend, vorgegeben hatten.

Pierre Jaquet-Droz (1721-1790) stellte 1774 in La Chaux-de-Fonds u.a. drei Androiden vor, darunter eine Orgelspielerin. Die "Musikerin" wird von einer Stiftwalze und von damit verbundenen Nockenscheiben gesteuert, mit der die Finger der Hände bewegt werden. Die Figur schlägt die Tasten einer Art Orgel mit Flötenklang an. Sie kann fünf verschiedene Stücke spielen, die eigens für sie kompomiert wurden.

Baron Wolfgang von Kempelen (1734-1804) konstruierte ausser seinem berühmten Schachautomaten auch eine Sprechmaschine.

Der Wiener Hofmusiker Johann Nepomuk Mälzel (1772 - 1838) erfand das Metronom und baute unter anderem ein automatisches Orchester aus "zwey und vierzig" Automaten , das die Ouvertüre aus Don Juan spielte und für das Ludwig van Beethoven 1813 die Ouvertüre op. 91 komponierte (...im Gegenzug versprach Mälzel Beethoven die Konstruktion eines Hörgerätes...).

David Röntgen baute 1784 zusammen mit dem Mechaniker Pierre Kintzing im Auftrag der französischen Königin Marie-Antoinette die über eine Stiftwalze gesteuerte Cymbalspielerin.

Im Biedermeier gab es handwerklich meisterlich gefertigte Musikautomaten - Spieluhren aller Art, Flötenuhren, Drehorgeln, Glockenspiele - für den Hausgebrauch des gehobenen Bürgers. Doch bald setzte industrielle Herstellung von Musikautomaten ein, vor allem Spieldosen und Drehorgeln. 1895, kurz nach der Erfindung der Schallplatte, kam das Pianola, industriell gefertigt und erschwinglich wie ein Klavier, bereits 2Millionen-fach unter die Leute. Parallel dazu gab es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch viele andere Patente, die mit Walzen oder Lochstreifen verschiedene Musikstücke abspielen konnten. Alle diese raffinierten mechanischen Maschinen wurden jedoch durch die Speichermedien Schallplatte und ihre Nachfolger schnell obsolet.

Die mechanischen und elektromechanischen Musikmaschinen und -automaten des 20. Jahrhunderts sind demnach wieder Einzelstücke, meist von Künstlern konstruiert. Wie etwa George Antheils rotierender Flugzeugpropeller, der 1926 in seinem "Ballet mécanique" eingesetzt wurde, die bekannten Klangmaschinen Jean Tinguelys, verschiedene Instrumente von Martin Riches, Nicolas A. Baginsky, Godfried-Willem Raes und vielen anderen, die alte Traditionen fortführen oder auch im Grenzbereich von Mechanik und Computer arbeiten.