Fliehkraft, Schwerkraft
Königin: Ob die Königinnen oder die Könige wunderlicher sind, läßt sich daran erkennen, wer sich mehr über die anderen wundert. Die Könige über die Königinnen oder die Königinnen über die Könige. - Fräulein: Wunderlicher sind die, die sich weniger wundern.
Märchen Familie
Die Erzählung von Vater-Mutter-Kind, also der Nachkriegs-Kleinfamilie, ist ebenso in die Ferne gerückt wie die dunkle Wälder und Märchenschlösser mit der festen Formation König-Königin-Prinz.
Für das Libretto zu „Prinz, Held und Füchsin”, das von 3 Generationen einer Familie handelt, ist deshalb die Welt und Sprache des Märchens der ideale Spielort. Das Formelhafte als innere Rhythmik genützt, als Stereotype aber gegeneinander ausgespielt, macht aus einem empfindlichen Thema ein sinnlich Fassbares.
Es wird nicht vorgetäuscht, es ginge um eine individuelle Geschichte, sondern der Vorgang ist Metapher, von Anfang an als „Märchen” entlarvt. Nicht zuletzt deswegen, weil der Topos Familie ein vergangenes und nur noch Kindern zugemutetes Klischee darstellt, das in Fotoalben, Geschichten von “damals” und unter Weihnachtsbäumen am besten aufgehoben scheint.
Denn um den festen Kern Mutter-Kind sind die familiären Beziehungen radikaler Neudeutung unterworfen. Von der traditionellen Klein- bzw Grossfamilie ist nur das Prinzip der genetischen Verwandtschaft, vorübergehende monogame Beziehungen und das Grossziehen der Nachkommen geblieben, doch die Werte, Wirkungen und Zusammensetzung dieser Schicksalsgemeinschaft haben sich verändert.
Was der Aufbaugeneration der Nachkriegszeit noch als Schiff im rauhen Ozean unverzichtbar erschien - ökonomische Motive, feste Formen und Abläufe um einen Kern mit starkem Magnetfeld - das hat bereits die nächste Generation unter dem Einfluss der 68-Kulturrevolution unter Freuden, Schmerzen und Fehlern auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen - allerdings noch ohne einen tauglichen Gegenentwurf.
Die Absage an die Rollenverteilung der Eltern, die Verweigerung fester Werte und Standards, das Ablegen der Geschlechterrollen, die wachsende Unlust, die Freiheit der Jugend für Verantwortungen aufzugeben, hatten vor allem einmal dem Individuum und seiner Selbstfindung zu dienen.
Zusammenleben wurde Luxus und war keine praktische Notwendigkeit mehr. Folge davon ist die Situation, in der das Konzept Familie sich heute befindet: sinkende Heirats- und Geburtenzahlen, hohe Scheidungsraten, Wohnexperimente und -alternativen, Singlehaushalte und Patchworkfamilien.
Die Kinder dieser Generation - heute Jugendliche bis junge Erwachsene können für ihren Lebenentwurf auf eine Vielzahl gleichwertig nebeneinander existierender Lebens-Bausätze zurückgreifen. Das Kleinfamilientrauma ihrer Eltern haben sie nicht erlebt, sondern weit eher das Trauma des Ewig-Unverbindlichen.
Sie haben nun die Möglichkeit, das zerfallene Klein- oder Grossfamiliengefüge für sich wieder aufzunehmen und für die Zukunft zu modernisieren, die Rollen neu zu definieren und zwischen den Ansätzen der Grosselterngeneration und der Elterngeneration zu vermitteln. Und, wie es manchmal scheint, auch den Willen dazu.
Der Druck, einer Form entsprechen zu müssen, ist weggefallen, die Bereitschaft zur Form steigt, doch "Die Monarchie muss verbessert werden!"