Die Sammlung der Möglichkeiten von Iris Andraschek
Die Objekte in der Sammlung von Iris Andraschek werden nicht geschont, bleiben nicht unberührt. Sie kommen unter keinen Glassturz, werden nicht geordnet, sortiert und kategorisiert. Übersichtlichkeit wird eben nicht angestrebt. Auch läßt die Sammlung der Künstlerin kein, ohnehin vergebliches Bestreben nach Vollständigkeit erkennen. Die Sammlung dreht sich auch nicht um Variationen eines Themas oder Inhalts. Es tritt uns kein Gegenstand in der Vielfalt seiner Macharten entgegen. Auch haben nur manche Teile der Sammlung eine Vergangenheit als Ware, als Objekt des Konsums, als ein Ding, dessen Wert je mit einem Kaufpreis beziffert wurde. Wenn sich Iris Andraschek ihrer Sammlung zuwendet, möchte sie überrascht werden, dort etwas suchen, was sie schon einmal gefunden hat. Jedes Objekt, das sich länger in ihrer Sammlung befindet, hat seinen ursprünglichen Zweck, seine ehemalige Bedeutung verloren. Diese vergangenen Kontexte sind jedoch nicht vergessen.
Durch den künstlerischen Umgang relativieren sich die herkömmlichen Kategorien herkömmlicher Weltbilder. Selbstverständliche Unterscheidungen heben sich auf: Was ist Natur? Was Artefakt? Was klein? Was groß? Was lebendig und was nicht? Kurzum: die Künstlerin testet in ihrem Sammeln grundlegende Unterschiede aus, und Natürliches erscheint auf einmal künstlich, und Traditionelles ist plötzlich ganz fehl am Platz. Die Sammeltätigkeit der Künstlerin geht gewissermaßen jeder Verarbeitung eines gefundenen Gegenstands voraus. Was sie aufklaubt, vorfindet und in die Sammlung übernimmt, gerät in einen neuen Zusammenhang. Die Künstlerin entscheidet über die Realität, die sie mit den gesammelten Dingen erzeugen möchte. Für ihre fotografische Arbeit wie für ihre Installationen greift sie auf dieses sich ständig ändernde Repertoire an Möglichkeiten zurück.
In den künstlerischen Räumen, die sie mit der Kamera schafft, kann sie die Größenverhältnisse und Maßstäbe neu festlegen. Sie schafft mit ihren Gegenständen eine zweite Natur und zugleich eine neue Beziehung zu den Dingen, Objekten und Teilen, mit denen sie diese neuen Welten gewissermaßen erzeugt.
In diesem Sinne bedeutet sammeln für Iris Andraschek auch, sich mit vorgebenen Situationen, Räumen und sozialen wie natürlichen Settings intensiv auseinanderzusetzen. Die Künstlerin verschanzt sich in ihrer Sammlung nicht vor der Wirklichkeit draußen, sondern versucht in ihren künstlerischen Anordnungen nichts weniger als die Welt der Dinge und die Beziehungen der Menschen zu erzeugten Objekten wie zu den Erscheinungen der Natur zu verstehen.
Objekte ihrer Ansammlung sind wesentliche Bestandteile der künstlerischen Projekte von Iris Andraschek, was dazu führt, daß sie Objekte einem Kontext entzieht, um sie wiederum einer neuen Situation beispielsweise im öffentlichen Raum zuzuführen – und um damit auch unseren Blick auf die Welt und letztlich uns selbst ein wenig zu verschieben.