Zwischen Traum und Traum
Leo Perutz: Brennpunkte des aufgeklärten Romantikers
Muss man die KünstlerInnen des sirene Operntheaters bedauern, dass Leo Perutz die Präsentation der 9 Kammeropern zu Perutz’ Roman „Nachts unter der steinernen Brücke“ nicht miterleben kann. Oder darf man sie beglückwünschen?
Die Frage erscheint weniger frech, wenn wir uns einzelne Kommentare von Perutz zur Rezeption seines Werkes vergegenwärtigen. Zimperlich war Perutz gewiss nicht, weder in der Artikulation noch in seiner Gestik; ich schätze ihn als einen jener großartigen Erzähler, die nicht kennen lernen zu können als wertvoll einzustufen ist: Ich ahne, wie mir die Freude des Lesens durch eine persönliche Begegnung hätte erschwert werden können!
Recht harmlos hingegen ist die Antwort, die ein Student der Germanistik 1929 von Perutz erhalten hat, der die Prosa des phantastischen Realisten – wie ich ihn nennen möchte – zum Thema einer wissenschaftlichen Arbeit machen wollte: „Sie schreiben, daß Sie mein Interesse für die von Ihnen in Aussicht genommene Arbeit voraussetzen. Um die Wahrheit zu sagen, muß ich Ihnen mitteilen, daß dieses Interesse nicht in dem Maß, wie Sie es voraussetzen, besteht. Ich bin der Meinung, daß es für junge wissenschaftliche Arbeiter wichtigere Themen gibt als die sogenannten germanistischen. Meine Bücher wollen gelesen werden und gefallen, haben aber nicht den Ehrgeiz, Objekte wissenschaftlicher Betrachtung zu sein. Ich hoffe, Sie nehmen mir diese Aufdringlichkeit nicht übel, persönlich hat mir Ihr freundliches Interesse natürlich Freude gemacht.“
Als Perutz diese Zeilen schrieb, konnte er nicht ahnen, wie froh er wenige Jahre später über Anfragen wie diese gewesen wäre. Der Roman „St. Petri Schnee“ – eine ausgeklügelte Konstruktion, die u.a. Elemente von Science-Fiction, Utopie, unzuverlässiges Erzählen und Historismus eindrucksvoll zu verflechten vermag – erscheint als Fortsetzungsroman in der Ullstein-Zeitschrift „Die Dame“ bis Juli 1933, im September wird das Buch bei Zsolnay verlegt. Obwohl drei Jahre später „Der schwedische Reiter“ erscheint, verschwindet schon 1933 einer der meistgelesenen deutschsprachigen Autoren der 20er Jahre aus dem Bewusstsein nicht nur einer literarisch interessierten Öffentlichkeit, sondern auch der Literaturrezeption. Im Fall von „St. Petri Schnee“ wussten die Zensoren der NSDAP wohl genau, warum.
Das Äpfelchen, dessen Geschmack keiner zu schätzen wusste
Die literarische Landschaft nach dem 2. Weltkrieg war ein Torso, das Schicksal der Bücher „Nachts unter der steinernen Brücke“ und posthum von „Der Judas des Leonardo“ steht exemplarisch für eine ganze Generation: Ablehnungen im Akkord, lange Wartezeiten auf Veröffentlichungen und so selten nicht Verlagskonkurse und ausbleibende Honorarzahlungen waren deshalb auch Perutz beschieden. Doch nicht nur in seinen Romanen erweist sich der Versicherungsmathematiker als Prophet – man denke an die Führerfigur Malchin in „St. Petri Schnee“ – auch in der Einschätzung des Schicksals seiner eigenen Arbeit. In einem Brief an seinen Bruder stellte der Romancier 1949 gleichermaßen resignierend wie selbstbewusst fest: „Die wirklich maßgebenden Faktoren, die Zeitungen, die Kritik, die Verleger und die Literaturgeschichte, registrieren mich als nicht mehr vorhanden, wenn nicht gar als nie vorhanden gewesen. Umso sicherer ist meine Auferstehung in 40 Jahren, wenn mich irgendein Literaturhistoriker wiederentdeckt und ein großes Geschrei darüber erhebt, daß meine Romane zu Unrecht vergessen sind.“
Die Präzision dieser Ankündigung erstaunt. Als dieser „Literaturhistoriker“ ist wohl der deutsche Germanist Hans-Harald Müller zu benennen, der – es mag absichtlich gewesen sein – 1989 mit der Perutz-Ausstellung der deutschen Nationalbibliothek und der damit verbundenen Publikation zu Leo Perutz, erstmalig Leben und Werk des Pragers darzustellen versucht und unisono die Nachwörter für die Neuauflagen verfasst hat. Gewiss, er ist nicht der einzige: Blickt man die letzten zwei Jahrzehnte zurück, entdeckt man eine Fülle an sekundärliterarischen Arbeiten zu Leo Perutz. Eine ganze Heerschar an Germanistinnen und Germanisten merzt eine Scharte aus, die ihre Vorgänger hinterlassen haben. Es liegt in der Natur dieser Entwicklung, dass anfangs vor allem Begrifflichkeiten wie Historismus und Phantastik Kernthemen der wissenschaftlichen Arbeiten bildeten, später die dramaturgischen Raffinessen und erzählperspektivischen Herausforderungen etwa des unzuverlässigen Erzählens aufgegriffen wurden und schließlich Fragen zur Identität bzw. zu Identitätsbrüchen oder auch zu den Frauengestalten im Werk erörtert wurden: Die Rezeption arbeitet somit sukzessive die Vielschichtigkeit Perutz’scher Narration auf. Denn wenn Perutz schon nicht ein Avantgardist in stilistischer Hinsicht war, so bestimmt in narrativer.
Für die Rückkehr des Äpfelchens, das jahrzehntelang in einem ziemlich dunklen Eck verschwunden war, war aber auch das Interesse an Perutz in nicht-deutschsprachigen Ländern maßgeblich. Der Japaner Masato Murayama etwa dissertierte 1979 über „Leo Perutz. Die historischen Romane.“ in Wien. Dieser Umstand überrascht wenig, wenn wir bedenken, dass etwa durch die Exilsituation nicht nur von Perutz, sondern auch seiner Übersetzer, Bekannten und Freunde das Werk von Perutz eher im nichtdeutschen Raum konserviert wurde, beispielsweise erfreuten sich die versponnenen Romane im spanischsprachigen Lateinamerika in den 40er Jahren einer regelrechten Popularität und büßten davon auch später wenig ein. Nicht zuletzt dadurch, dass Jorge Luis Borges den „Meister des Jüngsten Tages“ 1946 in seine Sammlung der besten Kriminalromane aufnahm, womit eine Kanonisierung erfolgte, die hierzulande erst allmählich festzustellen ist.
Infolge der wissenschaftlichen Durchdringung, aber auch aufgrund der günstigen Lizenzen für die Romane und damit wiederholter Auflagen dieser in diversen Taschenbuchformaten und natürlich auch durch die Verfilmungen 1989 und 1991 ist Perutz heute nicht mehr jener „forgotten writer“ wie ehedem. Gehört er aber deshalb schon zum Kanon der deutschen Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts? Und wenn „Nein“, warum sollte uns das stören?
Auf jeden Fall stimuliert die intensiv wachsende Wahrnehmung seiner Prosa nicht nur die Rezeption, sondern auch die Interaktion und Kreation, was die Entwickler des sirene Operntheaters eindrucksvoll dokumentieren. Es ist jedoch nicht die erste musikdramatische Adaption des Novellenkranzes im alten Prag: „Nachts unter der steinernen Brücke“ stand bereits 1978 für die Uraufführung einer Oper des Komponisten Cesar Bresgen Modell, am „Kleinen Festspielhaus Salzburg“ erlebte der Perutz-Text unter dem Titel „Der Engel von Prag“ seine Vertonung. Wie sehr diese gelungen war oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis.
Pointen und Erzählweisen
Nachvollziehbar sind allerdings die Reibeflächen, die der Roman bietet: Akzentuierte Enden der einzelnen Geschichten, eng miteinander verwobene Protagonisten, Irritationen der offiziellen Geschichtsschreibung bei gleichzeitiger oft detailreicher Bezugnahme darauf und ein Fundus an Fabeln und Geschichten zur jüdischer Kultur. Der Text mit einem seinesgleichen vergeblich suchenden Erzählaufbau bedient jedoch nicht eine Stilisierung des Judentums, sondern nutzt Facetten für einen – wenn man so will – erzählerischen Mehrwert.
In der Erzählung „Das Gespräch der Hunde“, der dritten von insgesamt 14 Geschichten, die in Summe einen veritablen Roman ausformen, verwechselt der unselige Berl Landfahrer eine kabbalistische Beschwörungsformel. Anstatt Macht über zwei nervtötende Hunde zu erlangen, die ihm seinen letzten Abend auf Erden erschweren, da er am nächsten Morgen gehängt werden soll, wird er in die Lage versetzt, ihnen zuzuhören und mit ihnen zu sprechen. So erfährt er, dass Mordechai Meisl 80 Gulden verscharrt hat, die für ihn, den Berl Landfahrer gedacht sind. Der Hund verspricht ihm, ihn an die Stelle zu führen. Am nächsten Tag wird er begnadigt, da das Bußgeld bezahlt wird, aber gleich wieder bestraft, denn Meisl Pudel, der Hund, der ihm den Weg zum Schatz zeigen soll, ist plötzlich verschwunden. Von nun an sah man den Berl Landfahrer, einen zeitlebens armseligen, vom Pech geradezu okkupierten Anti-Helden, mehr und mehr dem Wahn verfallen, wie es im letzten Absatz heißt: „Er lief den Hunden nach und lockte sie an sich und hielt sie fest und dann fragte er sie, ob sie nicht den weißen Pudel gesehen hätten (...).“
Dieses Beispiel veranschaulicht, wie Perutz Phantastisches mit Realem verknüpft. Übrig bleibt oft kein Wunder, sondern ein Einblick in eine bestimmte mentale Disposition oder auch konkrete Beziehungsverhältnisse. Übrig bleibt hier ein delirierender Berl Landfahrer und kein Wunder. Wir sind im 20. Jahrhundert, dem der Neurosen und lesen gleichzeitig vom alten Prag. Aus eben diesem Gegensatz bezieht der Roman nicht gerade wenig seiner Spannung.
Ein Faszinosum perutz’schen Erzählens liegt in seiner Anordnung. Bei insgesamt sieben Romanen findet sich am Beginn des Textes eine Enthüllung, die in aller Regel irritiert oder staunend macht. Man ist mit einem Rätsel konfrontiert, dessen Auflösung eine wesentliche Sogkraft für das Weiterlesen bildet. Nicht was passieren wird, stellt einen Impetus dar, sondern wie das, was uns unglaublich oder nicht nachvollziehbar erscheint, zur Wirklichkeit werden kann, bildet die Triebfeder des Lesens. Diese Methode wird – wenn auch abgeschwächter als bei „Turlupin“, „Der Schwedischen Reiter“ oder „Der Marques de Bolibar“ – auch bei „Nachts unter der steinernen Brücke“ angewandt. Das erste Kapitel schließt mit den scheinbar bezugslos nebeneinander stehenden Tatsachen: „In dieser Nacht erlosch die Pest in den Gassen der Judenstadt. In dieser Nacht starb in ihrem Haus auf dem Dreibrunnenplatz die schöne Esther, die Frau des Juden Meisl. In dieser Nacht fuhr auf seiner Burg zu Prag der Kaiser des Römischen Reiches, Rudolf II., mit einem Schrei aus seinem Traum.“
Natürlich bewirkt allein schon die Zusammenfügung dieser Sachverhalte einen Impuls, diese aufeinander zu beziehen, zudem erzeugt die Figur der Anapher eine Gleichzeitig- und Gleichberechtigtheit der Ereignisse. Man will wissen, was es mit diesen Ereignissen auf sich hat und wie sie zueinander stehen. Den Schlüssel, um den letzten Raum des Unaufgeklärten zu betreten, hält Perutz jedoch in den zwei abschließenden, vor allem dem letzten Kapitel bereit. Hier stellt er logische Bezüge her, erschließt zudem die Obsession Rudolf II., der mit einem Pogrom droht, sollte er die Jüdin Esther nicht zur Frau haben, und zwingt den Rabbi Loew förmlich, die Frau von Mordechai Meisl als Geliebte zu bekommen. Gleichzeitig bestärkt dieser Teil aber die Kraft der Fabel, indem der Engel Asael mitsamt seinen familiären, überirdischen Zwistigkeiten das ohnehin reiche Personal des Romans ausweitet und dadurch die Verbindung aber auch Diskrepanz zwischen göttlichem Schicksal und menschlichem Verhalten thematisiert.
Kollege Arnulf Knafl geht auf die narrativen Aspekte und das perutz’sche Spezifikum des Phantastischen in seinem Beitrag differenziert ein.
Geschichtsschreibung versus Geschichten schreiben
Deshalb möchte ich zwei weitere Aspekte ansprechen. Perutz hat schon in seiner zweiten Veröffentlichung, einer Rezension zu Anatole Frances „Die Bratküche der Königin Pédauque“ in der „Teplitzer Zeitung“ 1907 eines seiner zentralen Themen benannt: „Wer hat Recht? Der Dichter oder der Historiker? War das, was die Geschichtsschreiber so gruselig ‚Revolution’ nennen, nicht etwa nur solch ein Tischgespräch über die beste Regierungsforum etwa, ein wenig angeregter und lauter geführt, allerdings, als sonst –? Und Marat, Desmoulins, Danton, Robespierre – ich sehe sie plötzlich ganz anders als sonst. Als harmlose Dandys der letzten Mode, als steife Incroyables einer neuen Richtung, die einfach der Menge den dernier cri des Pariser guten Tones predigte. (...)“
So beendet er seine Buchbesprechung zu France und manifestiert gleichzeitig – natürlich unwissentlich – ein wesentliches Moment, das seine Literatur ausmachen wird. Auch die Recherchen zum Personal und zur Zeit, in welcher der Prag-Roman spielt, waren detailversessen. Es litt beispielsweise Rudolf der Stifter mutmaßlich an einer manio-depressiven Psychose; ein ideales Vorbild somit für einen fiktiven Charakter in einer Umgebung, die fortwährend zwischen Wirklichkeit und Traum changiert. In allen Romanen mit historischem Hintergrund erweist sich Perutz als penibler Arbeiter und gleichzeitig fabulierender Geschichtenerzähler: Er führt die offizielle Geschichtsschreibung weiter, konterkariert sie, zieht sie ins Groteske und öffnet fast immer ermunternde Spekulationsräume. Salopp und doch punktgenau fasste es Wendelin Schmidt-Dengler anlässlich des 2. Perutz-Symposiums in Wien und Prag 2000 in Bezug auf „Turlupin“, den Roman über die missglückte französische Revolution im Jahr 1642, zusammen: „Je präziser die Quellenangabe, umso größer die Lizenz zum Schwindel.“
Der zweite Aspekt betrifft die Rahmung. Im „Epilog“ wird eine Quellenfiktion vermittelt, der Hauslehrer Jakob Meisl, erzählt seinem Nachhilfeschüler, die Geschichten von seinem Urahn Mordechai Meisl, dessen Frau Esther, die im gesamten Roman kaum plastisch wird, sondern vielmehr als Fee und Projektionsfläche erscheint, dem psychisch degenerierten Kaiser, der – weil er eben nicht so funktioniert, wie er es als römisch-katholischer Führer sollte – charismatisch zwischen Vernunft und Wahn pendelt sowie dem Rabbi Loew, der gewissermaßen zum Schöpfer dieser Geschichte wird. Die Niederschrift des Textes erfolgt jedoch erst fünfzig Jahre später. Wir haben somit drei Zeitebenen: Das blühende Prag vor dem 30jährigen Krieg, Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts, das Prag der Jahrhundertwende und das Prag ohne Anzeichen jüdischer Kultur nach dem Ende des 2. Weltkriegs; ein doppelter Rahmen ist somit um die Hauptgeschichte gezogen.
Perutz selbst bekannt mehrfach, dass ihm das Schreiben des Textes nicht früher oder rascher möglich war. Am 11. März 1951 notiert er in sein Notizbuch: „Den ganzen Tag am Epilog gearbeitet. Um 10 Uhr Meisl Gut fertig. Traum von 27 Jahren Wirklichkeit geworden.“
Utopie und Wirklichkeit
Noch länger musste die Vermählung von Rose und Rosmarin warten, bis sie auch öffentlich bekannt wurde. Die schwierige Publikationsgeschichte von „Nachts unter der steinernen Brücke“ ist mittlerweile vielfach zitiert.
Während Zsolnay die jüdische Thematik als problematisch für das Nachkriegsösterreich und -deutschland einschätzte, war Perutz den Zionisten im eben gegründeten Israel zu wenig „jüdisch“. Perutz ließ sich von niemandem, auch von keiner Idee vereinnahmen. Zwar sympathisierte er in der Zwischenkriegszeit mit den Legitimisten, die eine Wiederauferstehung der Monarchie forcierten, doch ihm ging es nicht um die Rückkehr der Habsburger – in „St. Petri Schnee“ ist ironischerweise gar von einer Rückkehr der Staufer im römisch-deutschen Reich und der Tudors in England die Rede – , sondern um die Vielschichtigkeit von Sprache, von Kultur, ja von Leben, die Buntheit des Vielvölkerstaates vermisste er empfindlich.
Perutz – dem „drei Vaterländer wegeskamotiert wurden“ 8– empfand auch die Gründung des Staates Israel als Fehler, weil er Nationalstaaten als Bedrohung sah sowie das Neben- und Miteinander in Palästina schätzte und dessen Ende fürchtete. Zurecht, wie sich bald erweisen sollte. Den Kollegen und Kolleginnen, die an der Errichtung des Staates Israel beteiligt waren, stand er skeptisch gegenüber. Seine spitzen Bemerkungen sind aufschlussreich zugleich, dem umtriebigen Max Brod soll er einmal nachgesagt haben: „Dem Max Brod seine beste Romanfigur ist der Franz Kafka.“
Abgrenzung ist Leo Perutz – der doch gleichzeitig immer ein öffentlicher, kontaktfreudiger Mensch war und der ohne Wiener Cafés, dem Tarockieren und Debattieren gar nicht denkbar ist – in vielen gesellschaftlich-politischen Fragen eigen gewesen, heimisch fühlte er sich bei keiner Ideologie, Anecken und Konfrontationen stimulierten ihn.
Der Traum bildet nicht nur in der Novelle „Nachts unter der steinernen Brücke“ ein zentrales Erzählmotiv, die Schwellen von Bewusstsein zu Unterbewusstsein und Unbewusstem sind in vielen Perutz-Romanen niedrig, manchmal kaum auszumachen. Dass Perutz uns als „Romantiker“ erscheint, ist evident und mag ein Grund sein, warum er in den 60- und 70-Jahren besonders in Vergessenheit geraten ist, in einer Zeit, in der es – zumindest in Deutschland – um harte Fakten und nicht um geschichtliche Versuchsanordnungen ging. Doch der Prag-Roman beinhaltet einen weiteren Traum, einen im übrigen sehr handfesten: Die Utopie des Zusammenlebens verschiedener Konfessionen in einem Europa, das leider nicht nur zu Perutz’ Lebzeiten sehr viel Energie darauf verschwendet hat, genau dies zu verhindern.
Buchempfehlungen:
„Herr, erbarme dich meiner!“ Leo Perutz. Leben und Werk. Alexander Peer (Hg.), Edition ArtScience 2007
„Stationen“ Texte zu Leben und Werk von Leo Perutz. Clemens K. Stepina (Hg.), Edition ArtScience 2008
„Leo Perutz. Biographie“. Hans-Harald Müller, Zsolnay 2007
„Unruhige Träume – Abgründige Konstruktionen“. Brigitte Forster und Hans-Harald Müller (Hg.), Sonderzahl Verlag 2002
„Leo Perutz 1882-1957“. Brita Eckert und Hans-Harald Müller, Zsolnay 1989