Der Neue Merker - 15. September 2011, Udo Pacolt
Uraufführung im Schönbrunner Schlosstheater: Oper „Türkenkind“ von Wolfram Wagner
Es war eine ausgezeichnete Idee des kreativen sirene Operntheaters, das Schönbrunner Schlosstheater in Wien als Ort der Uraufführung des jüngsten Werks von Wolfram Wagner zu wählen, basiert doch seine Kammeroper „Türkenkind“ auf der wahren Lebensgeschichte eines Flüchtlingskindes aus der Zeit Maria Theresias. Als Adoptivkind der Kaiserin erinnert sie sich an ihre Zeit als Sklavin in der Türkei und an die Anfänge ihrer bewegten Lebensgeschichte. Das Libretto der Oper verfasste Kristine Tornquist nach dem Roman „Maria Theresias Türkenkind“ von Irène Montjoye.
Die etwa 70-minütige Kammeroper wird in neun Bildern gezeigt, wobei die Abfolge der Szenen rückwärts läuft. Das erste Bild spielt im Jahr 1803, als Anna Maria von Mohrenheim als 73-Jährige über ihr „märchenhaftes“ Leben sinniert. Die zweite Szene führt das Publikum ins Jahr 1747 zurück, als Anna Maria sich in Fieberträumen an ihre Hochzeit mit Johann Mohrenheim erinnert, in der dritten und vierten Szene ein Jahr vorher beschreibt sie auf karikierende Art die Herren ihrer Umgebung und ihr Dasein im Haus der Frau Wachtinger. Das fünfte Bild spielt im August 1745, Anna Maria als 14-Jährige nach Wien kommt, das sechste ein Jahr zuvor in Konstantinopel, wo sie durch einen Richtspruch aus der Sklaverei befreit wird. In siebenten Bild ist Anna Maria 1743 in Konstantinopel Sklavin im Haus des Kaufmanns Mustafa Resmi. Die achte Szene spielt im Kloster der Trinitarier, wo sie die Geschichte ihrer Entführung als verwaistes Kind erzählt. Die neunte und letzte Szene zeigt Anna Maria im Jahr 1737 irgendwo am Schwarzen Meer, nachdem ihre Eltern an der Pest gestorben sind und sie sich mit ihrer kleinen Schwester allein in der Welt zurückgelassen sieht. Wer wird ihr helfen?
Kristine Tornquist gelang eine Inszenierung von atmosphärischer Dichte, die das Publikum von Anfang an in seinen Bann zog. Bestechend ihre Idee, die Darstellerin der Anna Maria im fünften Bild, als sie ein „Loblied“ auf die Wiener und ihre Kaiserin singt, durch den Publikumsraum des Schlosstheaters schreiten zu lassen. Das karge, aber jederzeit praktikable Bühnenbild mit nur wenigen Möbelstücken und einem Gemälde der Kaiserin Maria Theresia auf einer goldenen Staffelei entwarf Andrea Költringer, die Kostümierung der Anna Maria, die nach jeder Szene ein Kleidungsstück ablegt, bis sie zuletzt nur noch ein armseliges Hemdchen trägt, Markus Kuscher. Für Licht und Technik zeichnete Edgar Aichinger verantwortlich.
Als Anna Maria faszinierte die junge Mezzosopranistin Nina Plangg in jeder Szene. Sie schaffte es, sowohl die tragischen wie auch die glücklichen Momente ihrer Rolle stimmlich und schauspielerisch überzeugend auszudrücken. Hervorragend ihre Wortdeutlichkeit, die so mancher Schauspielerin zur Ehre gereichen würde! Eine Idealbesetzung, zu der man dem sirene Operntheater nur gratulieren kann.
Die beiden Engel, die das Türkenkind in den neun Szenen begleiten, aber auch für den Bühnenumbau sorgen, wurden von Daniel Mavambu Biba und Anderson Pinheiro da Silva dargestellt. Das Orchester – es war aus Studierenden der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien zusammengestellt – wurde von Jury Everhartz geleitet. Er brachte die vielschichtige Partitur des Komponisten, die sehr stimmungsvoll die Handlung musikalisch illustrierte und von Trauermusik bis zu orientalischen Klängen reichte, mit sparsamer Gestik exzellent zur Geltung.
Das begeisterte Publikum, unter dem sich auch Bundesministerin Dr. Claudia Schmied – sie hatte den Ehrenschutz der Produktion übernommen – befand, dankte dem gesamten Team mit minutenlangem Beifall und feierte mit vielen Bravorufen besonders die Hauptdarstellerin Nina Plangg und den Komponisten Wolfram Wagner.
Verdientermassen!