Die Toten
Musik. Robert M Wildling | Partitur
Text. Kristine Tornquist | Libretto
Abu Hasan. Michael Schwendinger
Nushat Alfuad. Lisa Rombach
Harun Ar-Raschid. Dan Chamandy
Subaida. Solmaaz Adeli
Masrur. Jens Waldig
Umama. Andreas Jankowitsch
Abul Hasan - Virtuose des Schicksals
Abul Hasan ist ein Schelm, dessen Talent ist, den Zumutungen des Lebens mit Humor und Witz zu begegnen und dabei dem Schicksal sein Glück abzutrotzen. Er strolcht durch 3 Geschichten aus 1001 Nacht, einmal wird auf seine Kosten gelacht, ein anderes Mal wiederum - wie in unserer Geschichte - lacht er selbst. Er wird reich, aber nicht, weil er seinen Reichtum mühsam verdient, sondern indem er ihn geschenkt bekommt oder mit Charme und Humor ergaunert. Abul Hasan ist ein Virtuose der besonderen Art: Abu Hasan ist ein Meister des Schmarotzens, des In-den-Tag-Hinein-lebens, ein Meister, Chancen zu erkennen und zum rechten Zeitpunkt danach zu greifen.
Die Chance ist ein Begriff aus der Welt der Spiele – der Name eines mittelalterlichen Würfelspiel. Auch das Wort Hazar, das heute einen noch riskanteren Umgang mit dem Glück beschreibt, lässt sich auf das Spiel zurückführen, nämlich auf die arabischen Spielwürfel, az-zar. Der Würfel bringt mit seinen Augen völlig zufällig Glück oder Unglück. Er ist ein Symbol des blinden und ungerechten Schicksals. Aber unter Spielern gilt ganz gewiss: man kann gut würfeln, man kann – ob mit Betrug, suggestivem Talent oder mit trickreichen Spielregeln – aus Zufall Glück machen.
In einer Geschichte aus 1001 Nacht heisst es: Der Blinde geht unversehrt an der Grube vorbei, der Sehende fällt hinein, auch wenn er sie sieht. Wem ein Weg bestimmt ist, der wird ihn gehen. Diese Demut dem Schicksal gegenüber dient dem Unglücklichen zum Trost: er kann nichts für sein Unglück. Und sie dient dem Glücklichen zu moralischen Rechtfertigung.
Im Koran wird mit al-Qadah Allahs Vorauswissen der Zukunft beschrieben und mit al-Qadar die Erfüllung dieses Vorauswissens. Bereits 50000 Jahre vor der Erschaffung der Erde schrieb Allah die Weltgeschichte auf, die seither gemäss Plan abläuft. Einerseits zementiert diese Haltung bestehende Ungerechtigkeiten, andererseits kommt aus diesem tief verinnerlichten Bewusstsein der Vorbestimmung auch die Freigiebigkeit: Almosen und Geschenke sind Selbstverständlichkeit, denn Armut ist hier nichts Selbstverschuldetes, keine Unart und Schwäche wie im westlichen Kulturkreis.
Abul Hasan ist ein begnadeter Almosenempfänger. Seinen (leider immer schnell wieder schwindenden) Reichtum verdankt er den Geschenken des Kalifen. Aber diese Geschenke fallen ihm nicht ganz zufällig in den Schoss, er gewinnt sie mit seinem Talent zum Glück. Seine Fähigkeit ist, die Chance zu erkennen und den Trick zum Glück zu beherrschen. So ist Abu Hasan auch das sympathische und lebendige Gegenstück zur berühmten Glücksfigur aus der amerikanischen Mythologie – dem Tellerwäscher, der Millionär wurde. Im Gegensatz zu dessen protestantischem Fleiss, mit dem er den Zufällen das Glück abkämpft, steht Abul Hasan ganz im Dienst des Schicksals. Abul Hasan geniesst und ist faul, wenn es ihm gut geht. Erst wenn er wieder einmal alles verprasst hat, strengt er sich an und greift nach den Gelegenheiten. Denn im Gegensatz zum amerikanischen Millionär versteht er es, einfach glücklich zu sein.
Als Abul Hasan, Nadim (Vertrauter) des Kalifen Harun ar-Raschid, sein Vermögen verprasst hat, greift er zu einem Trick, um seine Kasse wieder zu füllen. Er und seine Frau Nushat al Fuad (Herzenslust) stellen sich abwechselnd tot, um beim Kalifen und dessen Frau Subaida Geld für das Begräbnis einzustreifen. Der Plan geht auf. Doch wie Abul Hasan voraussieht, fliegt der Betrug auf. Denn der Kalif, seine Frau, der Leibwächter Masrur und die Hofdame Umama geraten darüber in Streit, wer nun eigentlich gestorben sei. Beim Lokalaugenschein in Abu Hasans Haus finden sie beide tot aufgebahrt. Der Streit scheint unlösbar und der Kalif wird so zornig, dass er dem tausend Dinar verspricht, der das Rästel löst. Abu Hasan erwacht augenblicklich von den Toten - löst das Rästel und freut sich über die Belohnung. Nach Enno Littmanns Übersetzung des Kalkutta-Manuskriptes erzählt Scharazad diese Geschichte in der 398. Nacht.
Robert M Wildling über seine Komposition
“Die Toten“ scheuen sich musikalisch nicht davor, im Sinne der Komödie sogenannte „moderne“ Klangtexturen impressionistischen, einfachen und populären Musiken (wie Wiener Walzer, Ragtime, Rock etc) gegenüberzustellen.