APA-Meldung, 23.05.2015, Wolfgang Huber-Lang
erschienen in:
Salzburger Nachrichten, 23.05.2015 (pdf)
Tiroler Tageszeitung, 23.05.2015 (pdf)
Kleine Zeitung, 23.05.2015 (pdf)
Salzburg 24, 24.05.2015
Wiener Zeitung, 23.05.2015
Clemencics "Gilgamesch"-Oper uraufgeführt
Der 87-jährige Wiener Cembalist, Flöten- und Clavichordvirtuose, Komponist, Dirigent und Musikwissenschafter René Clemencic ist ein Phänomen. Seit Jahrzehnten gibt er seine Begeisterung für die vielfältigsten Aspekte von Kultur- und Musikgeschichte an nachfolgende Generationen weiter. Am Freitag erlebte er in der Wiener Ankerbrotfabrik die Uraufführung seines Oratoriums "Gilgamesch".
Clemencics jüngstes Werk beschäftigt sich mit dem ältesten literarischen Text der Menschheit, dem 5.000 Jahre alten mesopotamischen Epos über König Gilgamesch, seinem Freund Enkidu und seiner Suche nach Unsterblichkeit.
Die von Librettistin Kristine Tornquist selbst inszenierte Produktion des sirene Operntheaters, die bis 29. Mai noch fünfmal zu sehen ist, wirkt selbst wie aus der Zeit gefallen. Das von François-Pierre Descamps dirigierte szenische Oratorium für 13 Sänger und ein Kammerorchester aus fünf Streichern, fünf Blechbläsern und fünf Schlagwerkern zeigt musikalische Eigenständigkeit und Eigenwilligkeit und geht seinen eigenen Weg zwischen einem Menschheits-Mythos, in dem Götter, Naturwesen und Menschen miteinander ringen, und dem 21. Jahrhundert, in dem sich vertraute Handy-Klingeltöne aus dem Publikum in das intendierte Klangbild mischen können.
In der weitläufigen Expedithalle der ehemaligen Brotfabrik in Wien-Favoriten, in der eine Ausstellung von sieben künstlerisch gestalteten Guckkästen und verschiedene Vorträge die Aufführungen begleiten, versucht Bühnenbildner Jakob Scheid Intimität zu schaffen. Zwei Holzkonstruktionen umrahmen eine schmale Spielfläche: ein kleines Chorgestühl auf der einen Seite, ein hoher Aussichtsturm für die von Markus Kuscher in prächtige Gewänder gesteckten Götter auf der anderen Seite. In der Mitte hat Regisseurin Tornquist mit der Einbeziehung eines virtuosen Schattenspiels dafür gesorgt, dass die Verbindung zu uralten, fremden Kulturen spielerisch gelingt, die Statik des Oratoriums aufgelockert wird und die fast zweistündige Produktion nur wenige Längen hat.
Gesungen wird überwiegend hervorragend, allen voran vom griechischen Countertenor Nicholas Spanos in der Titelrolle. Am Ende gab es herzlichen, lebhaften Applaus für Komponist, Mitwirkende und Team. Der Ausflug in eine andere Welt hat sich gelohnt. Am Heimweg wird einem traurig bewusst, dass im heutigen Irak neben anderen Kulturstätten auch die uralten Überreste von Uruk gefährdet sind. Wer möchte da von einem Fortschritt der Menschheit sprechen?
"Gilgamesch" von René Clemencic (Musik) und Kristine Tornquist (Libretto), Das Rote Orchester unter der musikalischen Leitung von François-Pierre Descamps, Regie: Kristine Tornquist, Bühne: Jakob Scheid, Kostüm: Markus Kuscher. Mit Nicholas Spanos, Gernot Heinrich, Lisa Rombach, Ingrid Habermann, David Jagodic und Apostol Milenkov sowie Romana Amerling, Susanne Kurz, Claudia Haber, Willi Spuller, Bernd Lambauer, Johann Leutgeb und Clemens Kölbl.
Weitere Vorstellungen in der Expedithalle der ehemaligen Ankerbrotfabrik, 10., Absberggasse 27: 23., 24., 27., 28. und 29. Mai, 20.30 Uhr.