Das Loop
A: Pete and Repeat are sitting on a fence. Pete falls off. Who’s left? Repeat.
B: No No No No No No No!Bruce Nauman, Clown Torture, video installation, 1987
Gerade weil es nicht von der Stelle kommt, scheint das Loop besonders auffällig und unbedingt fortzuschreiten. Es beschreibt keine Geschichte, obwohl es schreibt und schreibt, es entwickelt nichts und wird nichts. (…)
Die Unschuld - ein feiner verschlossener Raum zwischen dem Wissen und dem Glauben, der niemals von einer der beiden Seiten betreten wird, unterbricht den düsteren Fluss von Enttäuschungen, trennt die Zeiten voneinander, hält die Zukunft von der Vergangenheit frei.
Der Begriff Loop, der zunächst einfach ein als Endlosschleife verbundenes Tonband oder Film bezeichnete, wurde und wird vielfältig in der Videokunst sowie in der elektronischen Musik verwendet. Auch wenn die Musikgeschichte erheblich länger schon Verfahren der scheinbar unendlichen Wiederholung kennt, wie das Ostinato, den Kanon oder auch die Fuge, erreichte mit der elektronischen und der digital beeinflussten Musik das Loop eine neue Dimension der Komplexität. Diese nutzten zunächst Komponisten wie Pierre Schaeffer, Stockhausen, auch Varèse, dann besonders die Protagonisten der Minimal Music wie Steve Reich oder Philip Glass. Nam June Paik verwendete das Loop in seiner Arbeit Zen for Film 1963 in dem in einer Endlosschleife ein unbelichteter Film gezeigt wurde, eine weiße Fläche, auf der nur die nach und nach auf dem Film entstehenden Kratzer sichtbar waren, vergleichbar in seiner Programmatik Cages 4‘33‘‘. Bernhard Lang ergründet seit Jahrzehnten in seiner Auseinandersetzung mit Differenz und Wiederholung an der Schnittstelle zwischen elektronischer, computergesteuerter Musik und klassischen kompositorischen Verfahren die ästhetischen Möglichkeiten des Loop.
Was kann das Loop, die stetige Wiederholung, das Alles-noch-einmal, das nur auf den ersten Blick so einfach wirkt? Clausewitz, der den Krieg fraglos als Kunst betrachtet hat, wusste:
Es ist alles im Krieg sehr einfach, aber das Einfachste ist schwierig. Diese Schwierigkeiten häufen sich und bringen Friktionen hervor.
Ein Mann steht in einer nicht genauer bestimmten Raum, die Füße fest am Boden, fällt gegen die Zimmerecke, schlägt an der Wand auf und schnellt zurück in seine Ausgangsposition, fällt wieder gegen die Wand zurück und federt wieder nach vorn. So immer weiter, wieder und wieder, die Ansicht des federnden Körpers ist in die Horizontale gedreht. Mehr ist nicht zu sehen auf dem frühen Video-Loop Bouncing the Corner (1968) von Bruce Nauman. Es ist der Künstler selbst in seinem Atelier, soviel wissen wir, aber das spielt keine Rolle, es geht nicht um ihn, er ist hier ein abstrakter Performer – auf dem Video ist der Kopf nicht wirklich zu sehen – nur: ein Körper federt, endlos scheint es, vor und zurück. Naumans Video macht sehr elementar Möglichkeiten des Loop deutlich: es zeigt einen schwebenden Zwischen-Zustand, hier zwischen Körper und Architektur, Anlehnen und Abstoßen, Fallen und Aufrichten, Bewegung und Gegenbewegung in einem, stellt – wenn man so will – einen Antagonismus ins Bild.
Vielleicht weil von Anfang an das Loop als ästhetisches Phänomen mit der technischen Entwicklung der elektronischen Klangerzeugung verbunden war, kommt es der Verbildlichung moderner, technisierter Lebenswelten besonders entgegen, wie etwa bei Charles Chaplin in Modern Times, in dem ein Fließband der „Electric Steel Corporation“ zum grausig-komischen Vehikel der Entfremdung in der Arbeitswelt wird.
Auf jeden Fall gehört zum Loop die Gleichzeitigkeit der gegensätzlichen Richtungen von Bewegungen, wie beim Heraufrollen des Steines des mythologischen Sisyphos immer schon das gleich erfolgende Herunterstürzen mitgedacht wird. Auch eine vollständig analoge Performance, wie jene des bulgarischen Künstlers Nedko Solakov bei der 49. Biennale Venedig (2001), kann dieses Prinzip sichtbar machen: zwei Maler malten dort gleichzeitig immer von zwei gegenüberliegenden Seiten einen Raum weiß bzw. schwarz aus, verunmöglichten einander ihr Werk je abzuschließen, der Raum konnte weder ein white cube noch eine black box werden.
Ein untrügliches Gespür für den ironischen Witz des Loops avant la lettre hatte Heine. Er entlarvte mit dem distanzierten Blick auf die ewige Wiederkehr des Sonnenaufgangs und Untergangs en passant falsche sentimentalische Dichtung:
Das Fräulein stand am Meere / Und seufzte lang und bang, / Es rührte sie so sehre / Der Sonnenuntergang. / Mein Fräulein! sein Sie munter, / Das ist ein altes Stück; / Hier vorne geht sie unter / Und kehrt von hinten zurück.
Aber das Loop ist eigentlich nicht komisch, zumindest wohnt seiner Komik etwas Penetrantes und Quälendes inne. Wie dem Sprung in der Schallplatte, der dieselben Töne immer wieder hören und den vermeintlichen Musikgenuss zum unerträglichen Geräusch werden lässt. Sehr deutlich erfasst dies wiederum Bruce Nauman in einer Video Installation von 1987, Clown Torture. Wie der Titel schon sagt, ist hier nichts lustig: mit vier Monitoren und zwei Projektoren zeigte Nauman einsame, melancholische Clowns in isolierten, quälenden, klaustrophobischen Situationen, von Überwachungskameras gefilmt, vier narrative Elemente, die in einem Loop unablässig widerholt werden. Einer der Clowns repetiert den eingangs zitierten Kinderreim, über einem anderem wird immer wieder ein Kübel Wasser ausgelehrt, ein Video zeigt den Clown auf einem öffentlichen WC eingesperrt, endlos wartend, ein Clown schreit um Hilfe, ein weiterer schreit, mit den Beinen strampelnd No, No, No – ohne Erlösung.
Einen Universalclown nennt Kristine Tornquist den Sisifos: Er lernt nichts. Wir haben genug gesehen. Eine Allzweckmetapher. Unbegreiflich, warum Sisifos nicht stehen bleibt, warum er nicht die Flucht ergreift (...). Das Naturgesetz sagt, dass das, was ist, immer gleich sein muss. Das Kulturgesetz gebietet Wunder und Veränderung. Und Sinn.
Ein Loop kann nicht zu einer Erzählung werden, verlangt diese doch immer nach Beginn, unerhörter Begebenheit und Ende. Der Tramp und das Mädchen aus dem Modernen Zeiten von Chaplin wandern am Ende leichten Schrittes tänzelnd auf der weiten Landstraße, vielleicht in ein besseres, zumindest aber in ein anderes Leben. Tornquists Sisifos schlägt den Weg in die Utopie vor: Was kein Ende hat, hat keinen Sinn. Machen wir hier den Versuch. Wir flüchten.
Wie kommt man nun aus der Sache heraus, wie verlässt man die ewige Repeat-Schleife, dreht sich um und geht, wenn man doch weiß: das will man nicht länger? Nie wieder.
Dass die Befreiung aus dem Zwang zur Wiederholung der ewiggleichen Verhängnisse gelänge durch Erkenntnis, was könnte man einer Universität Besseres zu ihrem Jubiläum wünschen?