Oper in Wien, 29.11.2016, Dominik Troger
Die „Hospital“-Trilogie des sirene Operntheaters in der Kammeroper widmete sich im zweiten Teil der „Nemesis”, die in dieser Oper – sozusagen als „Schwester” der Hybris – die ärztliche Selbstüberschätzung aufs Korn nimmt. Das Libretto stammte erneut von Kristine Tornquist, für die Musik hat bei diesem Teil Hannes Löschel gesorgt
Wie im ersten Teil – „Hybris“ – problematisiert „Nemesis” die Frage nach dem Ethos der ärztlichen Kunst. Ging es im ersten Teil der „Hospital“-Trilogie um eine moralisch fragwürdige Lebertransplantation, so befasste sich „Nemesis” mit einem Komapatienten, der im Zuge einer prestigeträchtigen Behandlung von Prof. Jessing, Primarius, ins Leben zurückgeholt wird. Der Gerettete kann dem wiedergewonnenen Leben aber nichts mehr abgewinnen und mit Hilfe der Krankenschwester Sanjivani und des Hilfspflegers Heini („Gevatter Tod” ) wird er wieder aus selbigem „disloziert”. Der damit verbundene Skandal bewegt den Primarius dazu, in Pension zu gehen.
Natürlich begegnen dem Publikum wieder die „Spitalstypen“: Dr. Paul Kross, Oberarzt, der nachtdienstgeschädigte Dr. Adam Klein und die resche Angelika, Oberschwester. Rollen, die von Markus Miesenberger, Georg Klimbacher und Maida Karišik sehr gut ausgefüllt wurden und die auch einen vierten oder fünften Teil dieser opernaffinen „Hospitalstaffel” mit gut getroffenem Figurencharakter hätten bereichern können. Aber das gilt eigentlich für alle Mitwirkenden wie etwa den Primar von Rupert Bergmann sowie den geheimnisvollen Heini von Johann Leutgeb und die Sanjivani der Ewelina Jurga.
Sanjivani teilt das Schicksal des Primars und kommt im dritten Teil nicht mehr vor. Im ersten Teil eine Nebenrolle, wird sie in „Nemesis” zu einer ganz wichtigen Handlungsträgerin. Jurga verlieh mit ihrem weichen lyrischen Sopran dieser pakistanischen Krankenschwester eine gefühlvolle Seele. In der vorletzten Szene, als sie den Tod Buddhas besang und im Hintergrund der Astralleib des Komapatienten sehr körperlich in die Lüfte entschwebte, gewann die Aufführung eine berührende Facette. Der Komapatient wurde vom Countertenor Nicholas Spanos sehr gut gespielt – zu singen hatte er wenig, aber sein Countertenor passte sehr gut zu diesem gleichsam schon dem Leben entwöhnten und sich entstofflicht habenden Wesen. Elsa Giannoulidou steuerte eine besorgte Tochter und eine überdrehte Psychologin bei. Am Pult stand diesmal Jury Everhartz.
Dieser zweite Teil hinterließ bei mir mehr den Eindruck einer „Schauspielmusik“. Hannes Löschel hat die Gesangsstimmen sehr rezitativisch, aber für mich nicht immer ganz schlüssig gegen den natürlichen Wortsinn und die -betonung komponiert. Sein Stil mixte ein bisschen Jazz (mit viel Saxophon) und Minimalmusik. Die Begleitung blieb eher zurückhaltend (etwa bei der Tangotanz-Einlage der Oberschwester, die hätte mehr „Zunder“ vetragen, aber zum Glück wusste Maida Karišik im roten Kleid die Szene zu befeuern) und kammermusikalisch-flächig illustrierend, bis auf zwei oder drei Fortissimo-Höhepunkte, die sich für mich aber nicht wirklich organisch aus der Handlung entwickelten. Der Komapatient war an die lebenserhaltende „Intensivmusikmaschine“ von Paul Skrepek angeschlossen. Die Vorstellung wurde mit viel und lange anhaltendem Applaus bedacht.
Im Resümee der drei Teile zeigt sich für mich, dass alle ihre Reize haben, dass der erste thematisch vielleicht eine Spur zu überladen ist, dass der dritte am meisten Bühnenwirksamkeit und Energie entfaltet und dass der zweite emotional am stärksten berührt. Die Regie war bei allen drei Teilen gelungen, hatte aber am Erfolg des zweiten Teils wahrscheinlich mehr Anteil als bei den beiden anderen.