Musique de scène - der Text
Jean Thibaudeau (1935–2013) war Romanautor, Essayist, Dramatiker und Übersetzer von Calvino, Cortázar und Sanguineti; er arbeitete außerdem als Redakteur für die angesehene Zeitschrift «Tel Quel». Mit seinen Romanen befand er sich in der Nähe des Nouveau Roman.
Die sieben kurzen Stücke entstanden in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre; sie wurden zurückgehalten und blieben unveröffentlicht.
I. La chambre (Das Zimmer)
II. Invitation au voyage (Einladung zur Reise)
III. Échelle visuelle ou autre chose (Die Sehtesttafel)
IV. Le dernier jour (Der letzte Tag)
V. Comédie intrigante (Seltsame Komödie)
VI. Le voyage (Die Reise)
VII. Le regard (Der Blick)
Im Mittelpunkt der Dramolette steht ein Mann, der einsam, verzweifelt, unerwachsen ist. Er ist so einsam, dass er nicht glauben kann, dass jemand an seine Tür klopft. Er hat sich von seiner Mutter nicht gelöst, sein Aktionsradius entspricht dem eines Schulkindes. Man kann ihm einreden, dass er schlecht sieht. Man kann ihm alles einreden. Er wird niemals den Hauch einer Verantwortung übernehmen. Er wird immer hinterhertraben. Die messerscharfe Analyse von Thibaudeau ist: das schlechte System, das ihn im Griff hat, kann ihn nur im Griff haben, weil er sich zum Opfer macht. Das ist natürlich sehr heutig oder kommt besonders zum Tragen, da die Erinnerung an die Kriege verblasst ist und die «Furcht vor der Freiheit» (Erich Fromm) leider nicht besiegt ist. (Helga Utz)
Ich bin vor 24 Stunden in diesem Hotel angekommen,
um mich von meiner Müdigkeit auszuruhen
in jeder Hand diese Gewichte, schwerer als Koffer,
die ich nicht ablegen kann.
Meine Hände wären leicht, wenn sie leer wären.
Aber sie sind schwer, sie ziehen mich zum Fußboden.
den ich durchbrechen werde,
um in eine nächste Kammer zu fallen.
«La Chambre» von Jean Thibaudeau