Oskar Aichinger - Zur Musik
Sich selbst bezeichnet der Klavierspieler, Komponist, Pädagoge und Autor als performing composer. Er arbeitet in Zeiten reaktionärer Politik, gegen die man nicht viel mehr tun könne, als unablässig Nadelstiche zu setzen. Das Totenschiff ist Oskar Aichingers neues Musiktheater, seine zweite Kammeroper nach Der entwendete Taler, auf Basis eines Textes von Leo Perutz. Das Stück ankert auf Kristine Tornquists Libretto nach dem gleichnamigen Roman von B. Traven.
Im Schicksal des Romanhelden Gale, der seine Papiere verliert und damit seiner Identität verlustig geht, erkennt Aichinger angesichts der sogenannten sans papiers einen brisanten Bezug zur Gegenwart. Zudem übe Traven fundamentale Kapitalismuskritik, beschreibe das Elend der Arbeit und seiner Entmenschlichung. Formal habe Aichinger dafür die Song-orientierten Kompositionen eines Kurt Weill und eines Hanns Eisler im Hinterkopf parat, repetitive Muster spielen eine Rolle, zur angemessenen Dramatik des Stoffs will er das
Orchester zusätzlich mit einer E-Gitarre und vielen Blechbläsern besetzen. Das Totenschiff, von Aichinger am ehesten als Song-Oper klassifiziert, ist die zweite Auftragsarbeit für das sirene Operntheater. Wien Modern hat die Produktion gleich ins Festival integriert und, als Ergänzung dazu, einen dreifaltigen Klaviersoloabend programmiert: mti Georg Graewe, Thomas Lehn und eben Oskar Aichinger. Andreas Fellinger, freistil #80
Stilpluralismus; tonal, aber nicht im spätromantischen Sinn des Herumirrens im Labyrinth der Funktionsharmonik; auch atonale Passagen, wenn die Dramaturgie dazu einlädt; ein Zulassen, nicht ein ständiges Vermeiden; lieber eine Peinlichkeit riskieren, als in Langeweile zu versinken; auch die U-Musik, der Jazz usw. sind nicht tabu; das ist aber keine Beliebigkeit, sondern ein Auftauchen im Strom der Erfindung; es ist eine Lust, heute zu komponieren, keine Qual; der Sog des Dramatischen darf nicht gestört werden; Singstimmen, Singstimmen und noch einmal Singstimmen, sie sind das Allerwichtigste in der Oper; der Sprachrhythmus generiert die Musik (Janacek!!); neue Spieltechniken: ja, aber nur wenn sie aus einer Notwendigkeit heraus dem Ganzen dienen; Geschmackssicherheit: die braucht es, auch wenn man heutzutage alle möglichen Kleidungsstücke miteinander kombinieren darf/mag/will; Reichtum; Üppigkeit, Farbigkeit; Emotion ohne plattes Sentiment.
Es geht aber in der jetzigen Situation wie in meiner Oper, und das ist mir wichtig, zu sagen, um Menschen am unteren Ende der sozialen und monetären Skalen, die sich plötzlich als die wahren Leistungsträger herausstellen, während die smarten Topverdiener vielfach ängstlich auf ihre Bildschirme starren, bis sie blau werden. Die Schamesröte würde ihnen besser zu Gesicht stehen.