Elsa heisst sie
Elsa heisst sie. Sie könnte auch Fatma, Brankica oder Minh heissen. Zerrissen zwischen Moral, Selbstbestimmung und gegebenen Lebensumständen.
Verwöhnte junge Männer, mit komplizierten Familienverhältnissen, hungrig und neugierig nach einem weiblichem Körper. Nur notgeil, oder doch etwas reifer hinter der Oberfläche?
Mein erstes Bild im Kopf war: eine aus den postjugoslawischen Ländern gekommene Frau, die auch anderes als eine Putzfrau sein könnte. Mit einem in Schulden geratenen Mann zuhause, weswegen sie jetzt dringend Geld verdienen muss. Und vielleicht auch einen neuen Reiz im Leben sucht.
Man kann die auf den ersten Blick stereotypisch verteilten Rollen natürlich auch anders betrachten, auf mehreren Ebenen und mit umgekehrten Geschlechterrollen.
Machtverhältnisse und Miseren verursacht durchs Geld sind zeitlos, damit verbundene (Frauen-) Schicksale allgegenwärtig.
Meine instinktive, unmittelbare Reaktion darauf ist mit Ironie, Zynismus und Absurdität verbunden - diese sind als Leitsterne meiner Ausdrucksform zu verstehen. Daraus entsteht auch das innere Bedürfnis nach musikalischer Vielfalt.
Ein Spiel zwischen Paraphrasierungen und Verschmutzungen dieser Klischees bestimmt das gesamte Klangbild. Auch Zitate und Jazzimprovisationen und gesprochene Kommentare aus dem Orchester demonstrieren verschiedene Handlungsebenen.
Während des Komponierens kommt die Lust, die Welten dieser Charaktere zu verändern, ihnen eine Chance anzubieten, aus ihren Rollen auszubrechen. Ich nehme an, diese Lust, als aktiver Teilnehmer im Leben zu agieren, ist der erste Schritt zur Weltveränderung. Doch zu glauben, dass man das überhaupt könnte, kommt mir etwas grössenwahnsinnig vor. Persönliche Mikrowelten, die einen umgeben und sich in einem abspielen, sind wahrscheinlich die einzigen Orte, wo man eine Veränderung beginnen kann.
Wohin diese Veränderung dann führt, in einer breiteren Dimension, bleibt als Überraschung offen. Als Komponistin ist man in der privilegierten Situation, diesen Versuch mit Musik umzusetzen und dadurch neue Impulse in die Welt zu setzen - für nur einen Menschen oder auch für eine grössere Menge. Sicher ist, das sich die Welt immer ein bisschen für einen selbst verändert durch den Prozess des Schaffens.
Margareta Ferek-Petric, Sommer 2020