Blog, 31.12.2023, Thomas Rauchenwald
Wunderland im Odeon – „Alice“, eine Revue von Kurt Schwertsik
Der ehemalige Saal der Börse für landwirtschaftliche Produkte, erbaut 1887 bis 1890 von Karl König, wurde 1988 unter Wahrung des denkmalgeschützten Bestandes vom Serapions Theater auf abenteuerliche Weise und ohne öffentliche Mittel als Theater adaptiert und anschließend um Produktionswerkstätten im Untergeschoß erweitert. Das Odeon wird seitdem als Bühne für Eigenproduktionen des Serapions Theaters, die sich vor allem durch die Verbindung von Musiktheater, Tanz, Schauspiel und bildender Kunst auszeichnen, verwendet, ist Anziehungspunkt und Kooperationspartner für viele Kulturschaffende und beherbergt seit Jahren Gäste wie beispielsweise das Impulstanz Festival und die Wiener Festwochen.
Die aktuelle Produktion des Serapions Theater gemeinsam mit dem sirene Operntheater – „Alice“ – zeigt 26 pausenlos gespielte, charakteristische Szenen, angesiedelt zwischen Traum und Albtraum, aus Lewis Carrolls berühmten Kinderbuch „Alice im Wunderland“. Die Textfassung nach Carroll stammt von Kristine Tornquist, die Musik zu dieser ca. 100minütigen Revue hat der 1935 geborene österreichische Komponist und Musikpädagoge Kurt Schwertsik für ein Ensemble aus 27 IntrumentalistInnen und 6 GesangssolistInnen komponiert. Das Stück, das ob seiner über weite Strecken dominierenden Kontemplativität, erst im letzten Drittel gewinnt die Musik an Schwung, wohl wenig für Kinder geeignet scheint, kam am 23. November 2023 zur Uraufführung und wird bis Ende Dezember insgesamt noch insgesamt zehnmal gespielt. Die am 30. Dezember 2023 besuchte Aufführung war ausverkauft und fand starken Anklang beim überwiegend älteren Publikum. Der zarte Orchestersatz ist von Bläsern, Perkussion und einem verstimmten Klavier dominiert; jazzige, an Kurt Weill gemahnende, und betont rhythmische Passagen, an Igor Strawinsky erinnernd, kommen immer wieder durch. Dennoch findet Schwertsik mit flüssigem Klang gegen Ende des Werkes durchaus zu einem eigenen Stil. Dirigent François-Pierre Descamps setzt die Partitur mit dem ensemble sirene gekonnt um.
Für die Inszenierung ist Max Kaufmann gemeinsam mit Kristine Tornquist verantwortlich. Alice wird von Ana Grigalashvili dargestellt und gesprochen, die guten SängerInnen sind Romana Amerling (Sopran), Solmaaz Adeli (Mezzosopran), Armin Gramer (Countertenor), Gernot Heinrich (Tenor), Andreas Jankowitsch (Bariton) und Steven Scheschareg (Bassbariton). Mehr als gelungen geraten Kostüm-, Bühnenkonzept und -gestaltung von Mirjam Mercedes Salzer, das die skurillen Geschichten der literarischen Vorlage bezaubernd – tolle, aus der Musik entwickelte Bewegungschoreografie wie subtil stimmige Lichtregie – umzusetzen in der Lage ist, einen Eyecatcher stellen die fragil wie üppig rauschenden Kostüme im Bauhaus-Stil dar.
Fazit: Eine etwas andere Art von Musiktheater, der Besuch lohnt durchaus.