Die Presse, 23.09.2023, Walter Weidringer (pdf) | Titelseite
Wiesenmusik. Ein blühendes Stück über die Sprache der Panzen: Jubel für Julia Purginas „Miameide“
Musikalische Kraft spürt man an den Schlüsselmomenten. In „Miameide“ steht vor dem lyrischen und dennoch groß aufrauschenden Finale eine beredte Generalpause. Die Uraufführung wurde bejubelt.
Dramaturgisch ist das herkömmlich geradlinig als Stationendrama konzipiert in Kristine Tornquists Libretto zu „Miameide“, eine von ihr selbst inszenierte Produktion des sirene Operntheaters auf der Baumgartner Höhe. Darin versteht Mia (bewegend schlicht: Johanna Krokovay) die Sprache der Pflanzen und ist deshalb am herkömmlichen Arbeitsmarkt (AMS-Satire inklusive) als Blumenverkäuferin, Gärtnereigehilfin und sogar Reinigungskraft im Büro unvermittelbar, weil sie überall nur Leid vernimmt. Die Musik klingt wie ein zeitgenössisches Echo auf die gerade an der Staatsoper zu Ende gegangene Serie von Strauss’ „Daphne“. Man kann Julia Purgina kaum ein größeres Kompliment machen als festzustellen, dass man in der eingangs erwähnten Generalpause befürchtet, ihre Musik wäre schon zu Ende.
Ist sie aber nicht: Die abschließende „große Sinfonie der Pflanzen“, zu der die Protagonistin eins wird mit der Natur, besteht aus zarten Glockentönen und litaneiartigem Gesang von mystischer Aura, aus duftigen, schwerelosen Rhythmen, zu denen sich ständig neue Linien emporranken, die einander umschlingen, verwachsen und zum Licht streben – bewegte Statik, in sich ruhende Erregung, ein allumfassendes Crescendo. Unter Antanina Kalechyts wuchern indessen Phace und Momentum Vocal Music zum Trickfilm einer Riesenwiese aufs Schönste.