Der Standard, 04.11.2024, Ljubiša Tošić (pdf)

Festival Wien Modern nimmt jetzt Puppenform an

Das "Operoid" mit dem Titel "Die Puppe" von Kristine Tornquist und Komponist Christof Dienz mit witzigen Szenen im Reaktor.

Am Anfang war das eine oder andere Wort. An einem Tischchen sitzend, blickt eine Frau auf eine Maschinenhand, die zu schreiben beginnt; man hört die Frau vorlesen: "Unaufhörlich sucht der Geist Materie, die ihn trägt ..." Bei einer Kunsthand wird es im Reaktor, wo das sirene Operntheater Die Puppe – ein Operoid präsentiert, allerdings nicht bleiben. Die Szenenfolge von Kristine Tornquist und Komponist Christof Dienz lässt Menschenkinder in einer Nummerntanzrevue auf einige Nachbildungen ihrer selbst prallen.

Der Blick in Puppengesichter kann auch ein Blick auf Urängste sein: Wenn die Musik an einer Stelle zwar zart-süßlich klingt, aber drei augenlose Wesen in festlichen Roben erscheinen, wähnt man sich fast in Alfred Hitchcocks Klassiker Psycho.

Im Grunde bleibt es aber bei einem zwischen poetischer Pantomime und Slapstick changierenden Puppenspiel. Intime Szenen, in denen eine Frau Austausch mit ihrem Double pflegt, weichen Witzigem: Ein Mann aktiviert zwei schlagzeugende Maschinenhände Richtung Ekstase. Auch rollt ein Mensch zusammengeknäult mit seinem schwarzen Aufblaszwilling einher. Schließlich das Schachspiel: Es duelliert sich eine Frau mit ihrem Robo-Zwilling, der sie aus dem Spiel wirft.

Wenn die Mitglieder des Serapions Ensembles ihre im Filigranen wie im Exaltierten prägnante Kunst entfalten, vergisst man kurz, dass den Szenen ein tragfähiger roter Erzählfaden fehlt. Zu vergessen hilft auch die facettenreiche Musik. Gruselig-Noisiges ist ebenso dabei wie rhythmische Exaltation. Bisweilen löst sich ein Ton in Vibrationen auf, um in Akkordschlägen zu münden, die das Ensemble PHACE (Leitung: François-Pierre Descamps) markant herauswuchtet. Farblich bereichernd Anna Clare Hauf. Ihre vokalen Einwürfe diesmal mit verfremdeter Maschinenstimme.

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