Kurier, 04.11.2024, Susanne Zobl (pdf)
"Die Puppe - Ein Operoid": Kristine Tornquists Oper ohne Worte
Wien Modern zeigt die Neuproduktion im REAKTOR
Was, wenn Geist und Materie nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind? Oder anders gesagt, was, wenn Puppen ein Eigenleben entwickeln? Fragen, die in unseren Zeiten sich ständig weiter entwickelnder Künstlicher Intelligenzen immer relevanter werden. Kristine Tornquist (Idee und Regie) stellt diese in der Neuproduktion „Die Puppe - Ein Operoid“ ihres sirene Operntheaters. Zumindest zu Beginn.
Eine Darstellerin flüstert zwei blauen Händen etwas zu, daraufhin beginnen diese zu zeichnen. Die Patina im REAKTOR lässt das Szenario beklemmend wie in einem düsteren Forschungskeller à la Jekyll & Hyde erscheinen. Über das Geschehen wacht die Büste einer grauen Puppe. Im Hintergrund prangt ein roter Kopf. Dessen Augenlider öffnen sich zu den ersten Tönen der eingängigen Musik von Christof Dienz.
Plötzlich spuckt der Mund ein graues Stoffbündel aus, das Tanzensemble setzt eine Figur zusammen, lehrt diese, ihre „Gliedmaßen“ zu bewegen. Dann tritt sie selbständig auf, testet ihr Können, tanzt, erst vorsichtig und dann gibt sie sich im Takt der Musik einem ausgelassenen Freudentanz hin.
Und der Operoid? Der Titel klingt zukunftsweisender als das weitere Geschehen, denn Tornquist gibt einen Überblick über diverse Puppenarten, wie die erste „Freundin“, die ihren Kopf zum Frisieren hinhält, geduldig alles mit sich geschehen lässt, bis sie zerfällt, ein Trommelautomat und eine Art Avatar. Am Ende steht der Kampf Mensch gegen Maschine auf dem Schachbrett. Das alles dauert eine gute Stunde, gesungen wird kein einziger Ton.
Dass trotz Wiederholungen und monotonen Rhythmen eine gewisse Spannung entsteht, geht auf das Konto des Serapions Ensembles. Jede Tänzerin und jeder Tänzer erzählt mit präzisen, ausdrucksstarken Bewegungen eine Geschichte. Dirigent François-Pierre Descamps bereitet mit der Formation PHACE einen einnehmenden Klangteppich. Herzlicher Applaus.